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Alessia Gazzola – Mit Skalpell und Lippenstift

Alessia Gazzola – Mit Skalpell und Lippenstift

Alessia Gazzola - Mit Skalpell und LippenstiftAlice Allevi, Assistenzärztin der Rechtsmedizin, hat es nicht leicht: Sie ist chaotisch, zart besaitet und ihre Missgeschicke bei Obduktionen sind legendär. Doch als sie mit dem Tod einer Studentin konfrontiert wird, die sie kurz vorher zufällig kennengelernt hatte, lässt sie sich von niemandem mehr einschüchtern: Sie ist überzeugt, dass es Mord war, und beginnt, auf eigene Faust zu ermitteln.

Rezension

Als Alice Allevi mit ihren Kollegen zu einer Toten gerufen wird, erschrickt sie: Vor ihr liegt eine Studentin, mit der sie just am Tag zuvor in einem Modegeschäft geplaudert hat. Verständlicherweise berührt sie das und umso kritischer überlegt sie bei den folgenden Untersuchungen, wie es zu dem Todesfall kommen konnte. Zwar sieht es nach Unfall aus, aber Alice kann sich nicht vorstellen, dass die muntere junge Frau vom Vortag einen Selbstmord begangen haben soll. Doch für ihr Misstrauen hat im Institut keiner ein Ohr: Allevi gilt als tapsig und unfähig und folglich hat keiner so recht Lust, ihren Anmerkungen Gehör zu schenken.

Eigentlich hat Allevi sogar einen extrem schweren Stand am Institut: Ihr Rausschmiss steht bevor. Dabei ist sie nicht einmal die unfähigste, sondern nur ein wenig unbequem. Sie stellt Fragen und stellt eigene Überlegungen an; damit kratzt sie unweigerlich an der Unfehlbarkeit, die sich zwei der Vorgesetzten auf Grund ihrer jeweiligen Funktion kurzerhand zuschreiben. Also teilt man ihr eben die Rolle der Chaotin zu, und sieht alles, was sie tut, unter dieser Prämisse; dass Allevi etwas gelingen könnte, kann schlicht nicht sein. Trotz dieser überragenden Eitelkeit, allen voran die von Claudio Conforti, schafft Allevi es, wenigstens beim ermittelnden Kommissar ein wenig mehr Gehör zu finden. Und auch Freunde und Familie tun ihr Bestes, um Alice von ihren Fähigkeiten zu überzeugen.

„Es ist immer wieder das Gleiche: CSI hat ganze Generationen ruiniert.“

Da die Autorin selbst Rechtsmedizinerin ist, bleiben ein paar Seitenhiebe nicht aus. Wie schon beschrieben, entspricht auch die Kollegialität nicht ganz den Ansprüchen, die die entsprechenden Fernsehserien gesetzt haben. Alessia Gazzola gelingt es, deutlich menschlichere Figuren zu entwerfen – sowohl auf Seiten der Rechtsmediziner, als auch auf Seiten der Angehörigen von Giulia Valenti, dem Opfer. Alice Allevi macht freilich den einen oder anderen Fehler, aber sie hält sie Augen offen und macht das, wofür sie am Ende großes Lob bekommen wird: Sie schließt nicht einfach etwas aus, um eine bequeme Theorie zu haben und beweist Beobachtungsgabe.

Damit ist das Buch weitaus besser als Cover oder Titel vermuten lassen. Dass Rechtsmedizinerinnen durchaus Lippenstift benutzen, scheint man sich nicht recht vorstellen zu können. Überhaupt werden da viele Vorurteile und Klischees bedient, dass es traurig ist. Never judge a book by its cover.

Das Rätsel um den Tod von Giulia Valenti bietet aber nicht nur Boden, um Alice Allevis Gespür für Feinheiten und Zwischentöne zu entwickeln. Es ist auch eine gewisse Emanzipation von den Bedingungen im rechtsmedizinischen Institut. Denn so, wie das Ganze ausgeht, sollten sich Claudio Conforti und Valeria Boschi, die rechte Hand des Bosses, künftig genau überlegen, ob sie ihre Mitarbeiterin Allevi der Einfachheit halber auch weiterhin als „unfähig“ ignorieren wollen.

Bibliografische Angaben

Verlag: Carl’s Books
ISBN: 978-3-570-58504-7
Originaltitel: L’allieva
Erstveröffentlichung: 2011
Englische Erstveröffentlichung: 2012
Übersetzung: Sylvia Spatz

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