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Fuminori Nakamura liest: Die Maske

Fuminori Nakamura liest: Die Maske

Schauplatz Zürich in der Abenddämmerung: Am Limmatquai bahnt sich im Literaturhaus Abend an, an dem kein Apfel zur Erde gehen wird. Fuminori Nakamura liest aus seinem aktuellen Roman „Die Maske„, die gerade beim Diogenes Verlag erschienen ist. Der Platz ist knapp bei so viel Andrang, 120 Gäste möchten Nakamura sehen. Manche sitzen direkt neben der Bühne, andere bis an die großen Fensterfronten, die zur Limmat hinausgehen. Japanische Autoren sind selten in Europa und umso begehrter sind Anlässe wie diese.

Belgeitet wird die Lesung von Daniela Tan, einer Japanologin der Uni Zürich, die sich auf zeitgenössische japanische Literatur spezialisiert hat, sowie Thomas Eggenberg, ebenfalls Japanologe und zugleich Übersetzer der Nakamura-Werke.

Begeistert vom Erfolg im Ausland

Nach einer kurzen Begrüßung durch Gesa Schneider, der Leiterin des Literaurhauses, gehören die ersten Worte Fuminori Nakamura selbst: „Ich freue mich, hier zu sein. Es ist mein erster Besuch in Zürich.“ Auf Deutsch! Es sei むずかしい, also schwierig, setzt er lachend nach. Aber das Publikum hat er sofort hinter sich. Während von ihm gerade das zweite Werk auf Deutsch erschienen ist, rechnet Nakamura in Japan längst zu den begehrten Autoren. Alleine in diesem Jahr kommen drei seiner Bücher in die Kinos: „Die Maske“ ist bereits seit Januar zu sehen. Die anderen Filme basieren auf Romanen, die bisher nur auf Englisch zu bekommen sind: „Kyonen no fuyu, kimi to wakare“ (Original:去年の冬、きみと別れ, übersetzt Last winter we parted) folgt im März und der Debutroman „Juu“ (Original: 銃, übersetzt The Gun) einige Monate später.

Als Autor, der sich nicht als Vertreter typisch japanischer Literatur sieht, freut er sich über die große Resonanz im Ausland, denn er habe früh Einflüsse aus dem Ausland aufgenommen. Die Ideen zu seinen Romanen, verrät er auf Nachfrage von Daniela Tan, kämen oft beim Schreiben. „Neue Worte bringen weitere Worte, es kommt ein Schreibfluss in Gang,“ beschreibt er seine Arbeit. Manchmal verändere das auch die Geschichte. „Der Text für „Der Dieb“ war ursprünglich als Kurzgeschichte gedacht,“ nennt er ein Beispiel. „Es stand fest, welche Aufgabe der Protagonist lösen muss, aber nicht, wie! Irgendwann musste ich den Verlag anrufen und beichten, dass ich noch Zeit bräuchte, weil sich die Geschichte viel weiter entwickeln würde.“ Schlussendlich wurde aus der Kurzgeschichte ein ganzer Roman.

Lesung von Fuminori Nakamura; Foto: Bettina Schnerr
Lesung von Fuminori Nakamura im Literaturhaus Zürich; mit im Bild Japanologin und Moderatorin des Abends Daniela Tan und Übersetzer Thomas Eggenberg; Foto: Bettina Schnerr

Anspannung und Erleichterung zugleich

Für Übersetzer Thomas Eggenberg gehen mit der Veröffentlichung verschiedene Gefühle einher. Eine gewisse Erleichterung auf alle Fälle: „Ich weiß um die Arbeit, die der Roman macht. Bei der Übersetzung habe ich bei jeder Seite Respekt dafür,“ sagt er. „Meine eigene Arbeit hat nach der Abgabe zudem auch ein Ende.“ In enger und guter Zusammenarbeit mit den Lektorinnen werde auch seine Übersetzung druckreif gemacht. Zugleich spürt er eine gewisse Anspannung. „Ich bin natürlich auch neugierig, wie das Buch ankommt.“

Nakamuras Titel arbeitet vordergründig mit Krimi- und Thrilleraspekten. Mord, Drogenhandel, polizeiliche Ermittlungen. Die großen Fragen allerdings sind ganz andere, sagt Nakamura: „Ist es möglich, dass ein Mensch das Leben eines anderen komplett bestimmt?“ Was passiert, wenn sich der Protagonist gegen den Willen des Vaters auflehnt und einen eigenen Weg gehen will? Er selbst habe auch keine besonders glückliche Kindheit gehabt und sich mit Fragen befasst, die ihn selber beschäftigten. „Aber so schlimm wie bei Fumihiro war es sicher nicht,“ schiebt er lachend hinterher.

Die Vergangenheit, das Selbst und die Erinnerung

Er zitiert Sartre: „Das Sein bestimmt das Bewusstsein“ sei eine Grundlage des Romans. Während er dieses Motto stets vor Augen hatte, war die Entwicklung des Titels keineswegs so klar. „Der Roman wurde dicker und dicker und ich hatte immer noch keine Idee, wie das Buch heißen sollte,“ sagt Nakamura. Im Japanischen überträgt der Titel 悪と仮面のルール für ihn die Gegenüberstellung der Antagonisten Vater und Sohn: Das Gesetz des Vaters, des personifizierten Bösen , gegen das Gesetz der Maske 仮面, Fumihiro. Aber mit dem deutschen Titel sei er auch zufrieden, denn er beschreibe schließlich die Hauptperson. Und diese Maske, die sich aus einer Gesichtsoperation ergibt, ist ein weiteres Thema des Buchs.

Fumihiro muss nicht nur seine Vergangenheit mit sich herumschleppen, sondern sich auch noch um jene kümmern, die er mit der Gesichtsoperation übernimmt. Er sieht aus wie jemand anderes und auch der trägt offenbar Schuld mit sich. Doch seine Persönlichkeit behält man, seine Vergangenheit kann man nicht auslöschen. Davon ist Fuminori Nakamura überzeugt. Ob man aber die Erinnung eines Menschen löschen könne, will Daniela Tan wissen? Eine gute Frage, meint Nakamura, deshalb habe er sich in seinem aktuellen Roman „R帝国“ damit befasst (Aaru Teikoku / Empire R, 2017).

Überhaupt ziehe sich die Auslotung des Selbst, die Tiefen des Selbst, durch alle Romane von ihm. Er erinnert sich an eine TV-Show vor etwa zehn Jahren: Ein Kind fragte danach, warum man Menschen nicht töten dürfe. Doch der Tonfall schockierte, das Kind fragte, als sei dieses Nicht-Dürfen eine grobe Ungerechtigkeit. „Seither haben viele Schriftsteller versucht, diese Frage zu beantworten,“ erinnert sich Nakamura. „Dieses Buch soll meine Antwort auf diese Frage sein.“

Der öffentliche Autor

Wie wird man ein erfolgreicher Autor? Auf diese Zuschauerfrage rät Fuminori Nakamura, es bloß nicht in Japan zu versuchen. Dort sei es eine schreckliche Aufgabe. Er erzählt eine Anekdote über einen Verleger, in dessen Haus es spezielle Räume gebe: Normalerweise könne man Schlösser von beiden Seiten nutzen. Dort aber gibt es mindestens einen Raum, aus dem man von innen nicht wieder herauskomme. Auf diese Weise werde dafür gesorgt, dass die Autoren tatsächlich bei der Arbeit blieben und zeitgenau ihre Manuskripte ablieferten. Eine abgemilderte Version gebe es mit Hotels, in die Autoren mit schlechtem Zeitgefühl oder kurz vor der Abgabe durchaus tagelang einquartiert würden.

Grundsätzlich gebe es zwei wesentliche Aspekte: „Man muss als Autor aus sich herausgehen,“ sagt Nakamura. „Man kann sich bei dieser Arbeit nicht verstecken.“ Ihm selbst ermögliche die Schriftstellerei zum Beispiel, böse Seiten und Gedanken auszuleben und zu verarbeiten. Der andere Aspekt ist die Überarbeitung: „Korrigieren Sie bloß nicht am Bildschirm!“ Man müsse immer alles ausdrucken und Stunden oder Tage später prüfen. „Vieles von dem, was man für großartig gehalten hatte, sieht auf Papier richtig schlecht aus,“ findet er. Als Autor müsse man also Schreiben und Lesen können. Nicht nur das Eigene. Es zählt auch, vieles von anderen zu lesen, um das Schreiben zu formen.

„Im Licht, das ihn vom Fenster her umflutete, wirkte sein Körper wie ein großes, schwarzes Nichts.“

Gesa Schneider zitiert zum Abschluss eine Beschreibung des Vaters, wie Fumihiro ihn mit elf Jahren sieht. „Man merkt, dass Fuminori Nakamura seinen Text ausgedruckt hat, um klare Sätze wie diesen zu finden. Man merkt, dass Thomas Eggenberg die Übersetzung ausgedruckt hat, um Nakamuras klare Sätze ins Deutsche zu übertragen. Ein literarischer Thriller, der die wichtigen, großen Fragen stellt.“


Fuminori Nakamura - Die MaskeVerlosung

Unter allen Lesern, die eine kleine Aufgabe lösen, verlose ich eine signierte Ausgabe von Fuminori Nakamuras Buch „Die Maske“. Das Buch wurde mir dazu freundlicherweise vom Diogenes Verlag zur Verfügung gestellt, merci vielmol dafür nach Zürich. Ich habe mich im Literaturhaus für euch angestellt und extra auf Japanisch um eine Signatur im „プレゼント“ gebeten.

Eure Aufgabe: Verratet mir, wie Fuminori Nakamura signiert hat! Wie sieht diese Signatur aus?

Es gibt eine kleine Besonderheit und die möchte ich in eurer Lösung sehen.

Schickt mir bitte eure Lösung per Mail bis zum 27. März 2018 mit dem Betreff “Nakamura” und eurer Adresse dazu. Außerdem gibt es drei Trostpreise, jeweils ein kleines Sortiment direkt aus Japan mitgebrachter Origami-Papiere (für Masken zum Beispiel).

Pro Adresse wird nur eine Einsendung angenommen. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.


Auflösung des Gewinnspiels zu Fuminori Nakamura; Foto: Bettina SchnerrLösung & Gewinner

Ich bedanke mich bei allen Einsendern, die am Gewinnspiel teilgenommen haben!

Die Lösung, die ich sehen wollte, lautet: Ein Japaner unterschreibt mit dem Nachnamen zuerst, dann erst kommt der Vorname. In einigen Lösungsvorschlägen tauchte der typische Hanko-Stempel auf, mit dem Japaner rechtsgültig unter“stempeln“ dürfen, sofern der Stempel offiziell registriert ist, doch so einer kam bei Nakamura nicht zum Einsatz.

Fuminori Nakamura unterschreibt also „Nakamura Fuminori“ mit den Schriftzeichen 中村 für Nakamura und 文則 für Fuminori.

Der Hauptpreis, das signierte Buch, geht an André aus Österreich — Herzlichen Glückwunsch!

Die drei kleinen Sortimente Origami-Papier aus Japan gehen nach Bad Salzungen, Andernach und Hanau.

Alle Gewinne verlassen nach dem Wochenende die Bleisatz-Zentrale.


Autorenfoto: Sodo Kawaguchi / Foto Lesung: Bettina Schnerr

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