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Im Gespräch mit Michael Düblin

Im Gespräch mit Michael Düblin

Über Musik aus den Siebzigern, eine überraschend reale Band und die Tragik von Schuldgefühlen

Michael Düblin, Foto: Laurent Gachnang

Michael Düblin wurde 1964 in Basel geboren. Bereits 1984 erhielt er den Vera-Piller-Poesiepreis der Literaturzeitschrift orte und war 2007 Preisträger des Kurzgeschichtenwettbewerbs der Buchhandlung Stauffacher. Kurz darauf erschien mit dem Fußballroman Zwölf Runden sein erstes Buch. Das zweite, Der Alpenflug, griff das 100-jährige Jubiläum der Alpenüberquerung durch den Flugpionier Oskar Bider auf. In seinem aktuellen Roman Der kalte Saphir gewährt ein ehemaliger Tontechniker Einblicke in das Bandleben im Berlin der Siebziger, um mit einer Journalistin einen Mord aufzuarbeiten.

Wie kam die Idee zustande, die Geschichte einer Band zu erzählen?

Ursprünglich hatte ich die Idee, eine Geschichte um eine charismatische Person zu erzählen, der andere Menschen bedingungslos folgen. Das hätte ein redegewandter Politiker, ein religiöser Führer, ein visionärer Unternehmer oder ein eigenwilliger Charakter aus dem Showbusiness sein können. Da ich mich gedanklich in der Musikszene leichter bewege als auf dem Politparket, wurde es die Geschichte um die Band Klarstein.

Wann kam die Überlegung auf, zur Geschichte auch noch passende Musik „aus den Siebzigern“ zu liefern? War das von Beginn an ein Teil des Konzepts?

Das war nicht Teil eines Konzepts, aber tatsächlich hatte ich schon früh im Projekt die Idee dazu. Beim Schreiben selber stellte ich dieses Vorhaben dann erstmal zurück, weil ich mich auf die Geschichte konzentrieren wollte und offen gestanden auch keine Ahnung hatte, wie ich das organisatorisch angehen sollte. Erst in der Schlussphase vor gut einem Jahr ist dieser Gedanke wieder aufgekommen. Weil ich selber keine Erfahrung im Schreiben von Songs habe, habe ich den begabten Songtexter und Schlagzeuger Lukas Hohl angefragt. Er verfasste nach Durchsicht einiger Romanstellen die drei Songtexte, die die Stimmung der einzelnen Teile wiedergeben. Sein Bruder, der Komponist und Sänger David Hohl, hat dann die Musik dazu geschrieben. Der Verlag war von der Idee begeistert und hat ein Studio organisiert, das sich speziell auf den Sound der 70er Jahre spezialisiert hat — und dann ging alles sehr schnell.

Wie sind sie an die detaillierten Schilderungen gekommen, was zum Beispiel Tonstudios, Technik, Abläufe oder Aufnahmegeräte angeht, die speziell zu der Zeit von Klarstein nötig waren?

Ich bin in eine Zeit geboren, in der das analoge Aufnahmeverfahren Stand der Technik war. Als Jugendlicher spielte ich selber in einer Band und schlug mich damals auch mit Bandmaschinen herum, also war ein gewisses Grundverständnis vorhanden. Dazu hat mir ein befreundeter Tontechniker noch vieles erklärt und zahlreiche Tipps gegeben.

Bei ihrem Roman Alpenflug ließen Sie sich von einem realen Vorbild inspirieren. Welche realen Inspirationen für die Figuren oder die Handlung haben Sie bei Der kalte Saphir gewählt?

Ein von Bandmitgliedern verübter Mord ist eher kein Merkmal der Musikszene. Da denkt man doch eher an den Tod durch Alkohol, Drogen oder Medikamente. Aber es gibt durchaus auch andere Beispiele. Spontan kommt mir da Sam Cooke in den Sinn, der von einer Motelmanagerin erschossen wurde, aber auch der Tod John Lennons. Für das Zusammenleben der Band Klarstein in der „Villa“ wäre vielleicht nachträglich als Vorbild die deutsche Gruppe „Ton Steine Scherben“ zu nennen, deren Mitglieder in einer Berliner Musikerkommune zusammen lebten. Nachträglich deshalb, weil ich mich mit deren Biographie erst später, als der Plot schon stand und die meisten Kapital geschrieben waren, auseinandersetzte.

Was glauben Sie, wieviele Menschen gehen Ihnen auf den Leim und merken erst nach einer gewissen Zeit, dass Klarstein Ihre Erfindung und gar keine Bildungslücke ist?

Klarstein sollte nie etwas anderes als eine fiktive Band sein. Es stand keine Absicht dahinter, die Leser auf eine falsche Fährte zu locken. Wenn ich das gewollt hätte, hätte ich wohl das Umfeld der Band mit noch etwas mehr Fakten hinterlegt und die Musiker mit bekannten Zeitzeugen auftreten lassen. Es war dann eine Marketingidee des Verlags, Klarstein im Youtube-Video als real darzustellen. Ich war eigentlich überrascht, dass es Unklarheiten in Bezug auf Klarsteins Existenz gegeben hat.

Sie sind gebürtiger Basler und Ihre bisherigen zwei Romane spielen in der Schweiz. Mit Klarstein gehen Sie ins damalige Berlin. Hätte die Geschichte von Klarstein so auch in der Schweiz oder im Basel der Siebziger stattfinden können?

Berlin war in den 70er Jahren ein Ort urbaner Kreativität, während die Musikszene in der Schweiz damals mit einigen Ausnahmen doch überschaubar war. Ich glaube, die Geschichte wäre mit dem Schauplatz Basel eine ganz andere geworden, weniger auf den musikalischen Erfolg der Band ausgerichtet, als auf deren den Versuch, in einer Branche Fuss zu fassen, die von ausländischen Formationen dominiert wurde. Wer damals in der Schweiz Erfolg hatte, gehört heute zum allgemeinen Kulturgut.

Schreibt es sich über einen Mord anders als über ein Abenteuer oder eine Fußballgeschichte? Immerhin überschreiten die Protagonisten bei so einem Handlungsentwurf massiv gesellschaftliche Grenzen …

Der Mord an sich ist nicht das Tragische der Geschichte, sondern das Misstrauen und die Missgunst zwischen den Bandmitgliedern, die in der Verstrickung aller Umstände zum Tod des Sängers führen. Eigentliches Thema ist aber Schuld. Sebastian Winter trägt die Verantwortung an Zeds Verschwinden und hadert damit. Darin unterscheidet sich die Geschichte nicht wesentlich von der aus dem Roman „Der Alpenflug“, der durch die Schuldgefühle seines Protagonisten bestimmt wird.

Wie schreiben Sie? Sind Sie jemand mit einem ausgefeilten Plot oder eher jemand, der seine Figuren im Lauf der Zeit auf neue Wege schickt, wenn Sie merken, dass es besser passt?

Ich habe parallel immer mehrere Romanideen im Kopf, die meist bereits das Setting sowie die grobe Struktur der Handlung beinhalten. Ich muss mich dann aber natürlich für eine Geschichte entscheiden, die ich weiterverfolgen will. Noch vor dem Plot schreibe ich einzelne Probeszenen, die die Sprache und das Tempo der Story bestimmen. Daraus entwickeln sich auch die Figuren und schlussendlich die definitive Handlung. Obwohl die Handlung des Romans in sich verstrickt ist, arbeite ich mehr mit einer Idee als mit einem Plot. Ich kenne in der Regel Anfang und Ende der Geschichte — und was dazwischen abspielt, ergibt sich beim Schreiben.

Verraten Sie schon mal, was als Thema im nächsten Buch folgen soll?

Mein nächster Roman steht in Bezug zu meinem Beruf als Informatiker. Er erzählt von unserer Abhängigkeit vom technischen Fortschritt in einer vernetzten, virtuellen und globalisierten Welt. Ein Roadmovie-Roman zum Thema Entschleunigung.


Fotos: Laurent Gachnang

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