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Haie haben kein Verfallsdatum

Haie haben kein Verfallsdatum

Das literarische Haltbarkeitsdatum ist immer wieder mal ein Thema: Lohnen Bücher mit älteren Erscheinungsdaten noch oder nicht? Im Januar kommentierte Linus Giese dazu auf buzzaldrinsblog. Auslöser war sein Eindruck, dass im Lauf eines Jahres viel zu viele neue Bücher auf dem Markt erschienen, sodass man mit Selektieren und Lesen kaum hinterherkäme. Tragischerweise fielen dann schnell schon wenig ältere Werke aus der Lesezeit, obwohl sie sicher lesenswert seien. Folgt man nicht nur seiner Einschätzung, sondern auch der seiner Leser, scheint es eigentlich klar: Ein Verfallsdatum gibt es nicht.

Das sehe ich für meinen Teil ganz genauso. Wer meine Website kennt, sieht zwar immer wieder neuere Werke, auf die ich auch nicht verzichten möchte. Aber ganz viel meiner Lektüre stammt aus der „Mottenkiste“ und ich genieße es, weil ich Bücher nach Gusto wähle. Nicht jedes Buch, das ich wähle, ist automatisch ganz famos. Doch einen Zusammenhang mit dem Veröffentlichungsdatum gibt es schlicht nicht. Mit der noch frischen Lektüre von Linus‘ Artikel im Hinterkopf stach es mir dann besonders ins Auge, als ich einen Verlag bemerkte, der mit einem seiner Titel aus der Masse von Neutiteln herausstach.

In einer Bibliothek wurde ich auf einen Titel von Arimasa Osawa aufmerksam. Osawa, seines Zeichens Krimischriftsteller, schaffte den Durchbruch in Japan anno 1990 mit dem ersten Band der Serie um den ‚Shinjuku Shark‘, einen eigensinnigen Polizisten. Als ‚Hai von Shinjuku‘ (cass Verlag) fand dieser Held seinen Weg nach Deutschland im Jahr 2005, also satte 15 Jahre, nachdem er in Japan Furore gemacht hatte und zu einer Zeit, als im Heimatland bereits acht Folgen erschienen waren. 2006 folgte der zweite Band in Deutschland, dann nichts mehr. Es sieht aus wie ein klassischer Fall von „in Deutschland ausprobiert, hat nicht so ganz geklappt“. Vom Hai las man in Deutschland nichts mehr.

Meine englische Fassung ist von 2007 und auch auf Englisch war nach nur zwei Bänden Schluss. Die knappe Bekanntheit von Osawa könnte sich nun ändern: Der Pendragon Verlag hat den Hai wieder entdeckt und brachte 2014 den zweiten Band mit neuem Titel erneut auf den Markt. Als „Giftaffe“. Der Verlagsleiter des Pendragon Verlags, Günther Butkus, hat mir dazu ein paar Fragen beantwortet.

Qualität und Zeitlosigkeit bestimmen die Auswahl

Arimasa Osawa - Giftaffe; ein Krimi der japanischen Krimiserie Shinjuku SharkDer Hai begegnete Butkus zunächst auf der Frankfurter Buchmesse. Die Übersetzerin Katja Busson habe ihn, so erinnert er sich, schnell vom Erfolg und der Qualität des Titels überzeugen können: „Der ‚Hai von Shinjuku‘ ist ein starker Kriminalroman, der in einem außergewöhnlichen Milieu angesiedelt ist. Mir gefallen Plot, Hauptfigur und auch die Sprache des Autors sehr gut.“

Damit war im Prinzip die Grundlage dafür gelegt, den Titel ins Programm zu holen. Fragt sich noch, was den Titel nach wie vor so lesenswert macht. An neuen Titeln würde es sicher nicht mangeln und Deutschland ist ein Land, in dem die japanische Kriminalliteratur nicht sehr verbreitet ist. Für Butkus ist sowas aber kein vorrangiges Kriterium: „Qualität und Zeitlosigkeit sind für uns die relevanten Kriterien, um auch ältere Titel in unser Verlagsprogramm aufzunehmen. Wenn wir davon überzeugt sind und daran glauben, dass diese auch heute noch ihre Leser finden, dann legen wir sie wieder auf.“ So einfach ist das.

Bei der Gelegenheit macht Günther Butkus darauf aufmerksam, dass der Verlag auch in der Vergangenheit immer wieder ältere Titel erfolgreich ins Programm geholt hat. Ein Beispiel dafür ist ‚Jagdzeit‘ von David Osborn, veröffentlicht 1974, verfilmt, in 15 Sprachen übersetzt. Das Werk gilt nach wie vor als „eine nur auf den ersten Blick zynische, vielmehr schonungslose, hochspannende und letztlich todtraurige Studie über die Abgründe der Menschlichkeit.“ (Krimicouch). 2011 nahm Pendragon den Titel mit einer neuen Übersetzung ins Programm. Ein anderes Beispiel ist ‚Wildnis‘ von Robert B. Parker, das Original von 1979, die Wiederauflage bei Pendragon von 2012.

Doch nun zurück zum Hai von Shinjuku und der Tatsache, dass alles für ihn spricht. Wenn ein Buch rund 25 nach seinem allerersten Auftritt und zehn Jahre nach seinem ersten deutschen Auftritt wieder aufgelegt wird, ist das ganz sicher ein Zeichen für dessen zeitlose Qualitäten. Schon 2007 schrieb man im Vorwort zur englischen Ausgabe:

„It is something of a scandal that the work has not been translated sooner.“

Man entschuldigt sich zwar gewissermaßen, denn man kam im Buch noch ohne Mobiltelefon aus und Anrufbeantworter konnten mit den Nachrichten noch keine Uhrzeiten aufzeichnen. Aber daran solle man sich nicht stören.

Noch Fragen? Dann lasst Euch auch ein auf diesen Kommissar Samejima:

„Er schert sich weder um den Ehrenkodex von Japans Mafia Yakuza noch um die Bereitschaft vieler seiner Kollegen wegzusehen, wenn es um deren Geschäfte geht. Korruption, dunkle Machenschaften und Absprachen sind für ihn unvereinbar mit seinem Job als Polizist.“

Solche Typenbeschreibungen klingen für einen Krimi einfach immer großartig. 1990 genauso wie 2015.

Die Bücher auf Bleisatz

Der Hai von Shinjuku/ Shinjuku Shark

Giftaffe


Foto: Marion / pixelio

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