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Literatur, Rezensionen & mehr

Intermezzo XI

Intermezzo XI

Steven Price – Die Frau in der Themse

Stephen Price - Die Frau in der Themse

In London suchen zwei Männer gleichzeitig nach Charlotte Reckitt: Der eine wurde von ihr für einen Coup angefragt, der andere braucht ihre Hinweise bei der Suche nach einem Phantomverbrecher. Zwangsläufig werden sich die Wege der beiden früher oder später kreuzen. Der eine ist Adam Foole, ein cleverer Gauner, der mit einem jungen Mädchen und einem kräftigen Helfer durch die Lande zieht. Der andere ist William Pinkerton, Sohn des legendären Gründers der Pinkerton-Detektei.

Die beiden Männer sind aufeinander angewiesen, als die Leiche einer Frau aus der Themse gezogen wird. Alles deutet darauf hin, dass es sich um Reckitt handelt. Sie tun sich mehr schlecht als recht zusammen, um ihren Mörder zu finden. Denn der eine ist schließlich Berufsverbrecher, der andere auf der Suche nach einem solchen und zudem im Bunde mit Scotland Yard.

Stephen Price baut die Geschichte in Rückblenden und abwechselnd aus jeweils unterschiedlichen Perspektiven auf. Foole und Pinkerton hängen tatsächlich enger zusammen als die Geschichte es zu Beginn vermuten lässt. Darüber, wie, lasse ich euch natürlich im Unklaren.

Price taucht sehr gut in die damalige Atmosphäre ein. Das gelingt ihm sowohl für das London der 1880er, als auch für den amerikanischen Bürgerkrieg, der für die Story eine wichtige Rolle spielt. Auf über 900 Seiten breitet er ein imposantes historisches Panorama aus, das selbst mich als bekennendes Mitglied des Dünne-Bücher-Fanclubs keine Sekunde langweilte.

Verlag: Diogenes
ISBN: 978-3-257-07087-3
Originaltitel: By Gaslight
Erstveröffentlichung: 2016
Deutsche Erstveröffentlichung: 2019
Übersetzung: Anna-Nina Kroll, Lisa Kögeböhn

Ko Machida – Vom Versuch einen Glücksgott loszuwerden

Die Ehefrau ist weg, die Arbeit ebenfalls. Und Alkohol trinkt er besser auch keinen mehr. Das würde die Situation zwar erträglich machen, aber dafür ist weder recht Geld da noch die Motivation. Irgendwie begreift der Mann doch, dass Alkohol mit seiner aktuellen Situation zusammenhängen könnte. Was ihm bleibt, ist der titelgebende Glücksgott. Eine kleine Statue, die ihn plötzlich wahnsinnig nervt. Die muss weg. Aber wie?

Es gibt viele Komponenten am Buch, die mir sehr zusagten. Die Buchgestaltung ist famos: Das Loch im grauen Schutzumschlag zeigt, dass sich auf dem Hardcovereinband zum Buch passende Zeichnungen verbergen. Ich wusste, dass Ko Machida wegen seiner Wortspielereien als unübersetzbar gehandelt wird. Man merkt einigen Begriffen und Wortspielereien definitiv an, dass wahrlich die Phantasie der Übersetzer gefragt war. Es gibt Stellen, wo Kinderabzählreime drin stecken (weil der Daikoku ständig umfällt) und das japanische Publikum sicher noch eine Extrapotion mehr an Witz mitnimmt als das deutschsprachige. Obwohl ich einige dieser Stellen erkannte und sprachlich um ihren Wert wusste, wollte ich nicht warm werden mit der Story eines Wirrkopfs, der sich nicht traut, die kleine Statue irgendwo loszuwerden. Die Wortwahl ist tatsächlich das versprochene Feuerwerk, doch das rettet für mich persönlich das Leseerlebnis doch nicht.

Reißt es die zweite Erzählung „Flussbettlibrett“ raus? Leider nicht. Ich empfand sie als ebenso wirr und wenig überzeugend. Protagonisten, die nichts auf die Kette kriegen, bieten mir persönlich erzählerisch einfach zu wenig, wenn sie die ganze Story über nichts auf die Kette kriegen und sonst nichts. Sumimasen.

Verlag: cass
ISBN: 978-3-944751-09-2
Originaltitel: Kussun daikoku und Kawara no apara
Erstveröffentlichung: 1996, als Buch 1997 (Kussun daikoku)
Deutsche Erstveröffentlichung: 2016
Übersetzung: Katja Cassing, Jürgen Stalph

Hannelore Cayre – Das Meisterstück

Als Cayres Titel „Die Alte“ 2019 in die Buchhandlungen kam, erinnerte ich mich nicht nur an ihre Krimiserie um den Strafverteidiger Christoph Leibowitz. Ich wusste auch, dass ich die verfügbaren Titel noch gar nicht alle kannte — was von drei bereits existierenden und vier geplanten Leibowitz-Titeln ohnehin nur zwei betraf, weil mehr gar nicht übersetzt wurden. Was bei mir im Regal ungelesen lag, war „Das Meisterstück“. Der Titel schließt unmittelbar an „Der Lumpenadvokat“ an.

Leibowitz hatte sich damals auf den Austausch mit einem Gefangenen eingelassen, sodass jener fliehen konnte und Leibowitz nach einem sehr kurzem Knastaufenthalt wieder auf freiem Fuß war. Versehen mit einer ordentlichen Entschädigung. Nun versucht er, wieder in den geregelten Alltag zu kommen. Einer seiner ersten Fälle liefert ihm ganz offensichtlich geklaute Gemälde ins Haus. Nähere Recherchen zeigen, dass es um Raubkunst des 2. Weltkriegs geht. Nicht nur das, selbst Zeitgenossen und Kollegen haben irgendwie mit den Bildern zu tun.

Hannelore Cayre, selbst lange Strafverteidigerin, geht zu den kleinen Fischen, die regelmäßig mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Zur juristischen Begleitung stellt sie ihnen mit Leibowitz eine Figur an die Seite, die formal auf der anderen Seite steht, ihren Klienten aber sehr ähnlich ist und das auch weiß. Ihm gegenüber die großen Kanzleien, die namhaften Klienten, die wenig überraschend extrem gut fahren und mit viel zu viel davon kommen. Eigentlich sind sie in vielerlei Hinsich nicht anders als Leibowitz, haben aber dank Geld und Ansehen einen ganz anderen Ausgangspunkt.

Für „Das Meisterstück“, ein Bild von Egon Schiele, muss Leibowitz sich arg in Acht nehmen. Ihm setzen gute alte Bekannte zu, die ihre Hilfe anders gestalten als Leibowitz das wollte. Gleichzeitig steht er unter dem wachen Auge einer Steuerprüferin, die jederzeit das Geheimnis des ersten Buchs auffliegen lassen könnte. Und ein Klient spielt von Anfang an falsches Spiel mit ihm. In der Situation den Kopf aus der Schlinge ziehen zu können, kostet mehr Nerven, als Leibowitz hat. Ein Vergnügen!

Die Justiz ist nachsichtig gegenüber den Übeltaten der Großen und unerbittlich gegenüber den Schwächen der kleinen Leute, sagte Jean de La Fontaine.

Verlag: Unionsverlag
ISBN: 978-3-293-20516-1
Originaltitel: Toiles de maître
Erstveröffentlichung: 2005
Deutsche Erstveröffentlichung: 2011
Übersetzung: Rudolf Schmitt

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