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Keigo Higashino – Unter der Mitternachtssonne

Keigo Higashino – Unter der Mitternachtssonne

Keigo Higashino - Unter der Mitternachtssonne

„Ein zwanzig Jahre alter Mord. Eine Verkettung unlösbarer Rätsel. Ein Detektiv, der entschlossen ist, das dunkle Geheimnis zu entschlüsseln.“

Ein Mord, der ungeklärt in den Akten verschwindet: Spielende Kinder finden deYosuke Kirihara erstochen in einer Bauruine in Osaka. Die Polizei ermittelt, doch jede Spur erweist sich als Sackgasse. Kommissar Sasagaki ist im Tatjahr 1973 zufällig am Tatort und hilft bei den einleitenden Ermittlungen, hat aber danach nichts mehr mit dem Fall zu tun. Als die Kollegen den Mordfall ad acta legen, gibt es für Sasagaki zwar Ungereimtheiten, aber machen kann er nichts. Umso mehr entwickelt er ein spezielles Interesse an dem Fall, das sich über zwanzig Jahre hinweg nie stillen lässt.

Ich weiß, die Akte ist längst geschlossen. Aber ich will nicht sterben, ohne diesen Fall aufgeklärt zu haben.

Higashino verfolgt in diesem Roman geradlinig die Lebensläufe derer, die mit Kiriharas Tod verknüpft waren. In erster Linie fallen ihm immer wieder zwei Kinder auf: Das hübsche Mädchen Yukiho, deren Mutter offenbar mit dem Mordopfer befreundet war, sowie Kiriharas wortkarger Sohn Ryo, der den Tod des Vaters sehr stoisch aufnimmt. Im Hintergrund beobachtet Sasagaki und taucht irgendwann wieder auf der Bildfläche auf, um sich erneut aktiv um eine Aufklärung zu bemühen.

Ein Krimi in raffinierten Episoden

Immer wieder springt das Buch einige Jahre weiter, um diese zwanzig Jahre abzudecken. Es hilft, dass Higashino in mehrere Kapitel unterteilt, die wiederum verschiedene Abschnitte haben. Außerdem hilft das Lesezeichen des Verlags, das die wichtigsten Personen listet. Gar keine schlechte Idee, denn im Lauf der Zeit kreuzen natürlich auch neue Personen die Wege von Yuhiko und Ryo, die nicht immer eine langfristige Rolle spielen. Über die Episoden hinweg baut sich das Gesamtbild auf. Während es für die Beteiligten isolierte Abschnitte ihres Lebens sind, formen sich für den Leser Ahnungen, Gewissheiten und Zusammenhänge.

Ursprünglich war 白夜行 / Byakuyakō eine Serie, die monatlich zwischen 1997 und 1999 in einer Literaturzeitschrift (Subaru, Shueisha Verlag) veröffentlicht wurde. Vergleichbar zum Buch als eine Serie von Kurzgeschichten, die wichtige Szenen dieser zwanzig Jahre zusammensetzten. Für die spätere Buchfassung passte Higashino die Struktur etwas an. Von Beginn an war der Krimi ein Erfolg. Spätestens, als 2006 eine TV-Serie auf Grundlage des Romans entwickelt wurde, knackte das Buch die Schallmauer von einer Million verkaufter Exemplare. Mittlerweile gibt es zudem eine koreanische und eine japanische Verfilmung.

Über 700 Seiten Krimi mögen lang erscheinen, aber am Ende wird man gar nichts davon merken. Man bleibt in der klugen Strukturierung hängen, setzt sich sein Bild zusammen und ahnt bis zum Ende womöglich doch nicht alles. Keigo Higashino hat wieder, wie in seinen bisher auf Deutsch erschienenen Titeln, ein bemerkenswertes Rätsel aufgebaut und bewiesen, dass er die Spannung halten kann, obgleich die Täter bzw. die Verdachtsmomente von Beginn an auf dem Tisch liegen.

Bibliografische Angaben

Verlag: Tropen bei Klett-Cotta
ISBN: 978-3-608-50348-7
Originaltitel: Byakuyako / 白夜行
Erstveröffentlichung: 1999
Deutsche Erstveröffentlichung: 2018
Übersetzung: Ursula Gräfe

2 comments

  1. HoldenCaulfield says:

    Ich lese den Roman momentan und bin nicht so überrascht über die Erscheiungsweise. Ich finde die Kapitel würden zum Teil auch losgelöst voneinander funktionieren, nur gemeinsam ändert sich dann das Gesamtbild.
    Mir gefällt das aber sehr, ich bin praktisch durch die Hälfte des Romans gerauscht, obwohl er doch schon ein paar Seiten mehr hat. Komisch das ich den Autor bisher gar nicht auf dem Schirm hatte. Aber ich hab jetzt schon mal weitere Titel auf meine Wunschliste gesetzt. Ich bin schon gespannt, wie sich das Ganze dann auflösen wird und ob die ein oder andre Überlegung von mir, in die richtige Richtung ging.

    1. Bettina Schnerr says:

      Sorry Holden, für die späte Antwort – wenn ich nicht gleich schreibe …

      Ich glaube auch, dass die Unabhänigkeit im Aufbau mit dem Erscheinen als Fortsetzungsroman korrespondiert. Aber ich wusste vor dem Erscheinen nicht, dass die Zeitung vorangegangen war.
      Dabei gibt es das in Japan öfter. Gerade erst habe ich gelesen, dass auch ein Roman von Banana Yoshimoto zuerst in der Yomiuri erschienen war, bevor er als Buch herauskam (und zeitgleich zum japanischen Blatt gab es die englische Übersetzung in der englischen Ausgabe der Zeitung).

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