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Schreibblockade adé: Vom Umgang mit Leere und Masse

Schreibblockade adé: Vom Umgang mit Leere und Masse

Teil 2 der litcamp-Session

Im zweiten Teil der Beitragsserie zu meiner Schreibblockaden-Session auf dem LiteraturCamp Heidelberg geht es um Probleme, die uns Ideen und Aufgaben machen können. Zuviel oder zuwenig davon … in beiden Fällen kann die Arbeit ins Stocken geraten und es tut gut, sich Gedanken über Abhilfe zu machen.

Leere im Kopf

Einen ziemlich harten Start liefert Ideenlosigkeit. Worüber kann oder soll man schreiben? Das kann Bloggern bei der Aufstellung eines Themenplans passieren, Journalisten auf der Suche nach neuen Themen und Autoren vor oder während der Arbeit an einem Manuskript. Wie soll eine Szene weitergehen? Wie fülle ich die kommenden Wochen mit Themen? Für mich hat diese Situation ihren Schrecken verloren, weil ich für mich passende Routinen entwickelt habe – und das ist eines der Schlüsselprinzipien. Selbst, wenn ich mal zwei Tage an kommenden Themen für die Zeitung oder die Website knabbere, fällt mir das nicht mehr auf. Es gehört dazu und ich weiß, dass ich am Ende mit passenden Topics rauskomme.

Ein erster Schritt kann die Auseinandersetzung mit eigenen Texten sein. Steckt da vielleicht das Potenzial zu einer Fortsetzung drin? Eine interessante Idee zum Beispiel für Blogger, die aus einem Beitrag eine Serie entwickeln können oder einen anderen aktualisieren möchten. So eine Fortsetzung kann auch in fremden Texten stecken: Den Artikel einer Kollegin, die Designstudien von Studenten vorstellte, griff ich vor einigen Jahren auf und konzentrierte mich auf eine einzige Studie daraus. Nämlich die, die von einem Interessenten zur Serienreife gebracht werden sollte. Mein Artikel setzte die Geschichte der Studie fort und beschrieb die Überarbeitung und die weitere Planung des Projekts. Natürlich lassen sich auch gängige Themen aufgreifen, wie die kollektive Begutachtung des Frühjahrsprogramms der Verlage – nur bekommt man die Idee eben erst, wenn man sich aktiv mit den Themen anderer Blogger befasst.

Was ich grundsätzlich empfehle ist eine Ideensammlung. Wie diese im Einzelfall aussieht, ist dem eigenen Geschmack und den persönlichen Vorlieben vorbehalten. Das kann eine Mappe sein, in der Zeitungsausschnitte liegen, das kann ein Notizbuch sein oder eine Pinnwand. Das kann digital via Evernote, Trello, Instapaper, Pocket, Word-Dokumente oder Mindmapping-Tools passieren. Egal, Hauptsache, es gibt so etwas überhaupt! Damit das klappt, solltet ihr die Augen offen halten nach Geschichten oder Inspirationen, die in fremden Texten oder Bildern stecken. Und ihr solltet dabei auch an eigene Textfetzen und Fragmente denken. Nicht immer knistert eine Idee sofort, manchmal knistert eine Idee jahrelang nicht. Aber in der Regel ist irgendwann eine Inspiration dabei, die am fraglichen Tag greift. Genau für diesen Tag legt man solch eine Ideensammlung an.

Besonders aufgefallen war mir schon in Heidelberg das Notizbuch von JeLiMuKi, die ihre Notizen schriftlich festhält und das schicke Stück (mit Metallschließen und Prägedruck) später auch auf Instagram präsentierte. Wer gerne handschriftliche Notizen macht, kann sich die Arbeit mit solchen Büchern gerne verschönern.

Eric Faye - Zimmer frei in Nagasaki

Die Idee aus der Zeitung

In meiner eigenen Ideensammlung steckte jahrelang ein Ausdruck von einem Zeitungsartikel, den ich im Netz gefunden hatte. Es war eine bemerkenswerte Geschichte aus Japan, die mich sofort interessiert hatte: Eine Obdachlose quartierte sich bei einem alleinstehenden Mann ein, als der einmal versehentlich die Türe offen stehen ließ. Sie lebte fast ein Jahr lang ziemlich unauffällig in einem Wandschrank, bis der Bewohner nach Monaten misstrauisch wurde und seiner heimlichen Untermieterin mit Hilfe einer Kamera auf die Schliche kam (Daily Mail und Japan Today). Die Geschichte in meiner Ideenmappe (in diesem Fall eine einfache Einsteckmappe aus Pappe) faszinierte mich immer wieder, wenn ich sie auch nie „zu fassen“ bekam. Eines Tages stieß ich bei Japanische Literatur auf den neuen Titel Zimmer frei in Nagasaki, bei dem es im Hinterkopf bei mir klingelte. Nicht ohne Grund: Dem Franzosen Éric Faye war die Story von der japanischen Untermieterin ebenfalls aufgefallen und er hatte sie zu einem kleinen Roman verarbeitet. Was uns dieses Beispiel zeigt? Wie unvorhergesehen man über interessante Ideen stolpern kann, wenn man die Augen offen hält.

Zu viel auf dem Tisch

Wer zu viele Aufgaben auf einmal vor sich sieht, fühlt sich paradoxerweise oft zunächst ausgebremst, obwohl genug zu tun wäre. Ob sich unerwarteter Besuch ankündigt, mehrere Texte miteinander konkurrieren oder ein Text mit anderen Aufgaben, der Effekt ist derselbe. Die Frage, was zuerst zu tun ist, lähmt oft eher als dass sie beflügelt. Hier schlägt die große Stunde der To-do-Listen, jetzt kommt klassisches Priorisieren: Tief durchatmen und strukturieren. Was muss zuerst raus? Wo fehlen noch Unterlagen oder Informationen? Was kann ernsthaft noch einen Tag liegen bleiben? Diese fünf Minuten für die Sortierung, gerne bei Kaffee oder Tee, sind gut investierte Zeit in solchen Situationen.

An der Stelle streiten sich aber auch zwei Philosophien: Die eine sagt „eat the frog first„. Mach also das zuerst, was Bauchschmerzen bereitet. Packe dir den großen Brocken nach vorne, damit es hinterher automatisch rund läuft. Die andere erlaubt ein oder zwei kleinere Aufgaben vor dem „frog“, damit sich ein Flow einstellt und das Streichen von der To-do-Liste für ein erstes Erfolgserlebnis sorgt. Ich persönlich arbeite in solchen Situationen gerne nach der zweiten Variante, weil ich mich für so manchen „frog“ erst warmlaufen muss. Besonders anspruchsvolle Texte kann ich zum Beispiel nicht immer sofort machen, wenn ich gerade erst ins Büro gekommen bin. Schiebt den „frog“ nur nicht sehr viel weiter nach hinten, sonst rutscht er buchstäblich vom Tisch — es ist klar, dass wir angenehme Aufgaben lieber machen. Aber auch bei Texten müssen wir uns eben doch irgendwann mit schwieriger Wortfindung, komplexen Sachverhalten oder unstimmigen Passagen auseinander setzen.

Wie bei der Ideenfindung hilft auch hier eine gewisse Routine, die sich irgendwann einstellt. Man findet damit ein treffendes Wort nicht unbedingt schneller, aber man weiß, dass es sich demnächst findet. Und das sorgt für eine gewisse Gelassenheit.

¯\_(ツ )_/¯

Im nächsten und dritten Teil werde ich auf zwei Probleme eingehen, bei denen wir uns vom Unterbewusstsein sehr gut helfen lassen können. Freundlicherweise arbeitet unser Kopf unaufhörlich und automatisch weiter, wenn wir Pause machen — und das lässt sich hervorragend nutzen.


Hier alle Links zu den vier Teilen der Session:
Teil 1: Bringt euer Umfeld in Ordnung!
Teil 2: Vom Umgang mit Leere und Masse
Teil 3: Nutzt die Automatismen von Denkprozessen aus
Teil 4: Sucht ihr den perfekten Text oder schreibt ihr schon? Das Finale
Vortragsfolien bei slideshare


  Foto: birgitH (pixelio)

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