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Tracey Williams – Adrift: The curious Tale of the Lego lost at Sea

Tracey Williams – Adrift: The curious Tale of the Lego lost at Sea

Tracey Williams - Adrift: The curious Tale of the Lego lost at Sea

Jedes Jahr gehen mehrere hundert Frachtcontainer auf hoher See verloren. Im Jahr 1997 trug das Schiff Tokio Express seinen Teil dazu bei, denn im Februar passierte der Frachter Land’s End in Cornwall und wurde von einer Monsterwelle getroffen. Dabei kippten 62 Container ins Meer. Dass der Verlust so viel Aufmerksamkeit bekam, lag an einem ganz speziellen Container, der über Bord ging. Er enthielt fast fünf Millionen Bauteile aus verschiedenen Lego-Sets — viele davon gehörten sogar zufällig zu Themensets unter dem Motto „Meer“. In den folgenden Monaten fanden die britischen Strandgutsammler zahlreiche solcher Bauteile. Rettungsboote, Seegras, Blumen, Flossen, Säbel oder Harpunen, Takelage oder Haie. Beliebtes, aber seltenes Fundstück: ein schwarzer Oktopus.

Vom ersten Tag an dabei war Tracey Williams, die schon als Kind Spaß an der Schatzjagd am Strand hatte. Doch nachdem die Kinder größer wurden, wurden auch die Strandspaziergänge seltener und sie lebte mehrere Jahre im Inland. Bis sie erneut umzog:

But in 2010, I moved to the north coast of Cornwall, to be closer to the family. And on my first visit to the beach, I found a bright yellow Lego life jacket from the spill. Thirteen years on and it was still turning up. I was amazed.

Und kurz darauf tauchte die Lego-Havarie nochmals in den Medien auf: Die Ozeanografen sagten für die Zeit ab etwa 2012 erste Lego-Funstücke für die US-amerikanische Küste vorher. Williams setzte mit „Lego lost at Sea“ eine Facebook-Seite auf, um im internationalen Austausch mehr über das besondere Treibgut zu erfahren.

Eine Havarie schreibt Geschichte

Ausgehend von der Lego-Havarie schildert „Adrift“ die Geschichte von Treib- und Strandgut und jenen, die es mit Leidenschaft suchen und sammeln. Ozeanografen wie Dr. Curtis Ebbenmeyer, mit dem sich Tracey Williams intensiv ausgetauscht hat, lernen aus Treibgut viel über Meeresströmungen. Und doch können sie nicht alles erklären. Von den rund 50 000 Lego-Haien, die auf der Tokio Express waren, ist bis heute keiner aufgetaucht. Aber warum das so ist, weiß niemand.

Tracey Williams spricht mit Fischern über all das, was sie außer Fisch in ihren Netzen finden und kontaktiert andere Strandgutsammler. Sie erzählt von heiß ersehnten Funden, wie Samenkapseln, die tausende von Seemeilen zurücklegen oder Ausscheidungen von Pottwalen. Die sind nicht seltener geworden, aber bisweilen zwischen Seetang und all den anderen Sachen schwerer zu finden: Spülmittelflaschen, Zahnbürsten, Luftballon-Haltern, Plastikperlen, Angelzubehör, Bälle, Flipflops, medizinischem Material, kostenfreie Giveaways aus Kindermenüs, Smarties-Deckel, und und und … und auch Lego.

„Adrift“ geht natürlich auf die Probleme ein, die Kunststoffe im Meer verursachen, wie die Tiere, die das für Futter halten und mit dem Plastik im Magen verhungern. Und Williams‘ Fundstücke zeigen, wie unglaublich langlebig das Material ist.

Zerbrochene Eimer und Schäufelchen

Dabei müssen sie nicht zwingend jahrzehntelang im Meer getrieben sein. Das Buch nimmt sich auch die Zeit zu erklären, wie Gegenstände ins Meer kommen. Einiges stammt aus Havarien, aber nicht alles. Es gibt Müllkippen in Meeresnähe, die von Wellen angefressen werden . Es gibt Sachen, die durch den Wind in Flüsse geweht und ins Meer getrieben werden und wieder andere, die längere Zeit unter Sand begraben sind und irgendwann freigespült werden. Und tausende von Strandspielsachen werden regelmäßig am Strand zurückgelassen.

Many had been shipped halfway round the world, only to break the first time they were used.

Lego ist gewissermaßen ein Glückfall: Das Treibgut ist beliebt, sodass viele Funde für die Forschung kartiert werden konnten. Gleichzeitig versorgte die Firma Lego Curtis Ebbesmeyer mit einer kompletten Packliste des Containers. Diese half später auch Williams bei der Identifizierung ihrer Fundstücke.

„Adrift“ deckt eine große Bandbreite an Aspekten rund um Treib- und Strandgut ab. Williams hat seit ihrem Umzug nach Cornwall nicht nur viel Zeit damit verbracht, selbst wieder als Strandgutsammlerin aktiv zu werden, sondern auch, sich ausführlich mit all den Aspekten drumherum zu befassen. Diese Kenntnistiefe und ihr Interesse merkt man den Kapitel an, so kurz sie manchmal sein mögen.

Und noch etwas beeindruckt an diesem Buch: Es ist mit einer großen Vielfalt an Karten, Bildern und Illustrationen ausgestattet. Und das ist noch nicht einmal zuviel: Es bringt das Gewirr am Strand aufs Papier, das wilde Nebeneinander von Seegras, Muscheln, Algen, Holz und allem anderen, was die Wellen an den Strand spülen. Doch wo es am Strand gute Augen braucht, um einen Lollistängel oder einen Lego-Türrahmen darin zu erspähen, ist „Adrift“ wie eine Fundgrube, die auf jeder Seite etwas Neues zutage fördert.

It looks like James Bond had it wrong. It’s not diamonds that are forever. It’s actually plastic.

Dr. Curtis Ebbesmeyer

Bis heute werden übrigens Lego-Teile an Stränden – nicht nur in England – angeschwemmt. Die Chance auf einen Oktopus ist nach wie vor zwar klein, aber vorhanden.

Bibliografische Angaben

Verlag: Unicorn
ISBN: 978-1-913491-19-2
Erstveröffentlichung: 2022

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