Eine siebentägige Luxuskreuzfahrt in der Karibik – kann es eine kürzere Definition für die Hölle geben? Im Auftrag von Harper’s Magazine hat sich David Foster Wallace an Bord der Zenith begeben und ist von Key West aus in See gestochen. Seine hinreißend komischen Beobachtungen über das Leben an Bord dieser schwimmenden Hochzeitstorte, über eigentümliche Reisegenossen, unvergessliche Landgänge und den Terror des Amüsierzwangs werden jedem Leser Lachtränen in die Augen treiben.
Rezension
Das Wichtigste zuerst: Beurteile nie ein Buch nach dem Klappentext. Aber manche Verlage können es einfach nicht lassen, Lobhudeleien unter Titel oder Klappentext zu kleistern. Wenn ich was nicht mag, dann sind es platte Meinungsschablonen, die ganz das sind, was Wallace in seinem Buch moniert: Unbedingt-Unterhaltungspflichtzwangmuss nicht nur auf hoher See, sondern auch in der Buchhandlung.
Ansonsten ganz nett. Denn Wallace schreibt genau für das Publikum, das er selber zu 100 Prozent ist: Keiner, der zur See will, keiner, der Kreuzfahrer in der Nachbarschaft hat, keiner, in dessen Dunstkreis jemals einer auf so eine Idee käme – aber auf alle Fälle einer, der jeden foppen würde, der jemals auf einem Kreuzfahrtschiff (wo auch immer) war. Und so ein Wallace checkt für sieben Tage auf der riesigen Zenith ein, innerlich kämpfend. Denn er hat einen Job an Bord, den er als Kreuzfahrer-Fopper nicht mögen darf. Weil Kreuzfahren was für die Anderen ist, aber nichts für einen David Foster Wallace, der solchen Volldampfgaudi dumpfbackig findet.
Aber es hilft nichts, er hat bei Harper’s Magazine unterschrieben und aus der Nummer kommt er nicht mehr raus. Auch nicht, nachdem er vermutlich irgendwann begriffen hat, worauf er sich eingelassen hat. Und so kämpft sich Wallace tapfer durch die Decks, spult Programme ab, horcht Gäste und Angestellte aus und sammelt Eindrücke. Die enden auf Papier genauso, wie man sich das als Nicht-Kreuzfahrer vorstellt. Undurchschaubare Kleidungsordnung, Tontaubenschießen, hilfsbereite, allwissende Kreuzfahrtveteranen, Talent-Shows, die selbst von den Gästen lange vorab angepeilt wurden, pikierte Schickeria …
Das ist durchaus witzig zu lesen, mehrheitlich aber, weil man sich als Zielpublikum des Buchs ohnehin schon jederzeit über die Marotten an Bord lustig machen würde. Es ist aber auch neutral gesehen manchmal skurril, was zutage gefördert wird. Dem Luxus zuliebe werden Handtücher auf dem Sonnendeck grundsätzlich gewechselt, sobald ein Passagier den Liegestuhl verlässt. Kommt er mit einem Drink zurück, ist die Liege leer. Also beginnt das Spiel von vorne: Neues Handtuch bis zum Gang auf das WC und dann erneut von vorne. Wallace findet aber auch ärgeres:
„Aber von hoch oben anzusehen, wie die eigenen Landsleute auf teuren Sandalen in bettelarme Hafenstädte wackeln, gehört nicht zu den erhebenden Augenblicken einer 7NC.
Den krassen Kontrast mag er ebenso wenig aushalten wie das Verhältnis der Gäste zu den Angestellten an Bord, das er als selbstgefällig und überheblich dokumentiert.
Was beim Lesen erschwerend hinzu kommt, ist der gnadenlose Schwung an Fußnoten, die im Buch kein Ende nehmen. Die Nummerierung reicht bis 136a (Buchlänge: 183 Seiten) und die Fußnotenlänge reicht von einer kurzen Zeile bis hin zu drei Seiten, die man für eine einzige Fußnote oder eine ganze Serie davon blättern muss, bis man wieder zurück darf, um im Originaltext weiter zu schmökern. Das war zwanzig Seiten lang witzig, danach nicht mehr. Alles in allem kann man das Buch irgendwann einmal mit ein bisschen Vergnügen lesen, man muss es aber nicht.
Bibliografische Angaben
Verlag: Goldmann
ISBN: 9783442542291
Originaltitel: A supposedly fun thing I’ll never do again
Erstveröffentlichung: 1997
Deutsche Erstveröffentlichung: 2002
Übersetzung: Marcus Ingendaay