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Margrit Sprecher – Irrland

Margrit Sprecher – Irrland

Margrit Sprecher - Irrland

Geschätzt über 700 Reportagen hat Margrit Sprecher in ihrer Laufbahn bereits geschrieben. Sie arbeitete jahrelang für die Frauenzeitschrift Elle und noch viel länger für die Weltwoche. Seit ihrer Pensionierung 2003 schreibt sie weiter als freie Journalistin und übernimmt kontinuierlich etwa eine Reportage pro Monat. Aus ihren Texten seit 2002 stammen jene zwanzig, die nun in Irrland erschienen sind.

Leicht war die Auswahl sicher nicht, denn die Autorin holt aus jedem Thema neue Blickwinkel heraus, die das Bild ihrer Begegnungen prägen. Eine Vorauswahl für Irrland traf Sprecher selbst; die finale Auswahl entstand in Abstimmung mit der Verlegerin Sabine Dörlemann. „Ein bisschen von allem, mit dem sich Margrit Sprecher über die Jahre beschäftigt hat,“ schrieb mir der Verlag.

„Ä chli alles“, so, wie auch eine andere der Reportagen betitelt ist. Sie erzählt darin von dem kleinen Muothatal, dessen Dorftheater aus unbekannten Gründen inzwischen weit über die Kantonsgrenzen bekannt geworden ist. Ganze Busladungen voll Theatertouristen locken das Bauerntheater an. Sie berichtet aus der Werkstatt einer begehrten Corsetière ebenso wie von einer missglückten PR-Veranstaltung zu Felix Baumgartner, der bereits ein Jahr nach seinem Stratosphäerensprung nur noch eine Handvoll Presseleute anlockte.

Perspektiven einer Gesellschaft

Margrit Sprechers Reportagen zeigen nicht nur ein Bild der Gesellschaft. Im Gaza-Streifen, in den Todestrakten der USA oder auf Lesetouren der Mussolini-Enkelinnen. Sie zeigen auch ein grundsätzliches Verständnis dafür, wie Reportagen funktionieren.

»Für mich ist das eine der größten Gefahren der Reportage: dass sie vollständig sein will. … Eine Reportage kann nicht alles. Eine Reportage kann nicht die ganze Welt erklären, aber sie kann zeigen, was Sie in ein paar Tagen wie wo erlebt haben.«

Magrit Sprecher im Interview mit Julian Schütt, 52 beste Bücher / SRF2 Kultur

Sprecher selbst sagt, dass sich Form und Ton ihrer Reportagen erst beim Schreiben entwickeln. Das spürt man beim Lesen durchaus. Die Texte haben einen eigenen Rhythmus und eine klare Bildsprache, sodass nicht einmal die Bilder fehlen, die bei den Magazinabdrucken stets dabei waren. Vorab kann man den Ablauf weder planen noch wissen, welchen Eindruck die Interviewpartner machen würden. Gerade über sie schreibt Sprecher immer sehr ehrlich. Nicht jeder hat sich hinterher über diese Ehrlichkeit gefreut. Aber Sprecher schreibt eben nur das, was sie sieht.

Irrland von Margrit Sprecher zu lesen, das ist wie 20 tiefe Einblicke zu bekommen in Welten, die man sonst nie betritt. Subjektiv, ganz sicher. Demaskierend, offen, ehrlich, couragiert, direkt noch viel mehr. Selbst in der oft unterhaltsamen Form der Reportage macht Sprecher das, was Journalismus generell leistet: Sie schaut der Macht auf die Finger. Weder Theo Müller, der die riesige Müllermilch aufgebaut hat, noch Reto Gurtner, der die Region Flims mit Hilfe seiner Skibetriebe politisch wie wirtschaftlich fest im Griff hat, erleben bei Sprecher nicht unbedingt die erwartete Würdigung ihres Lebenswerks. Denn, wie sie sagt, Macht verführe oft dazu, missbraucht zu werden. Margrit Sprecher merkt’s und schreibt darüber.

Linktipp: Graziella Rossi und Helmut Vogel lesen die Reportage „Teddy on Tour“

Bibliografische Angaben

Verlag: Dörlemann
ISBN: 978-3-03820-076-5
Erstveröffentlichung: 2020

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