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Petros Markaris – Faule Kredite

Petros Markaris – Faule Kredite

Petros Markaris - Faule KrediteDie Krise legt Griechenland lahm. Niemand hält mehr die Arbeitszeiten ein, überall wird diskutiert und protestiert. Arbeitnehmer, Rentner und Studenten gehen auf die Straße, und ihre Demonstrationszüge verstopfen das Zentrum Athens mehr, als es der Verkehr je tat. Auch Familie Charitos muss den Gürtel enger schnallen. Gerade haben Kostas und Adriani noch die Hochzeit ihrer einzigen Tochter Katerina ausgerichtet und sich zum ersten Mal seit dreißig Jahren ein neues Auto geleistet – und nun wissen sie nicht mehr, wie sie die Raten abzahlen sollen.

Als dann innerhalb weniger Tage zwei Banker auf grausame Weise umgebracht werden, herrscht in der Finanzwelt höchste Alarmstufe. Auch weil Presse und Polizei die Hypothese eines Terroranschlags nicht ausschließen. Der Hass auf die Banken scheint in der Tat immer größer zu werden: Die Stadt wird über Nacht mit Plakaten tapeziert, auf welchen die Bürger zur Verweigerung der Rückzahlung von Krediten aufgefordert werden. Die Krise mit ihren Auswüchsen beschert Kostas Charitos und der Athener Polizei mehr Arbeit und Hektik denn je zuvor. Geduld und Sorgfalt wären angesagt, doch dafür hat niemand Zeit. Denn Zeit ist Geld, und Geld gibt’s keins.

Rezension

Kommissar Kostas Charitos lädt zu großen Feierlichkeiten ein: Tochter Katerina heiratet den Arzt Fanis, ein Fest mit vielen Gästen und sogar mit tatkräftiger Mitwirkung der Polizeikapelle. Die Hochzeitsgeschellschaft hat kaum ausgeschlafen, als der Ernstfall für Charitos und die Kollegen von der Mordkommission eintritt. Das Opfer wurde geköpft, eine ebenso seltsame wie seltene Mordmethode. Das schafft Unsicherheit und nervt Charitos: „Ich frage mich, was gegen Pistolen, Jagdflinten, Messer oder auch Gift als Tatwaffe spricht.“

Das Opfer ist ein Banker, was in der Zeit der gravierenden Wirtschaftskrise einen fast symbolischen Charakter erhält. Die Polizei reagiert entsprechend nervös, denkt über Mord nach, über eine terroristischen Akt, über internationale Amtshilfe und über eine möglichst wenig aufsehenerregende Begleitung durch die Presse. Letzteres misslingt gründlich, nachdem nicht nur ein weiteres Opfer gemeldet wird, sondern parellel auch eine anonyme Anzeigenkampagne gegen die Banken lanciert wird.

Petros Markaris beschäftigt sich intensiv mit der Wirtschaftskrise in Griechenland: „Faule Kredite“ ist das erste Buch einer ganzen Trilogie, die der Autor seinerzeit plante. Dieser Ankündigung erboste einige, denn dass die Krise so lange dauern würde, wollte niemand in Betracht ziehen. Inzwischen fragt sich Markaris, ob seine Trilogie-Pläne ausreichend sind …

Obwohl sich das Buch vorrangig um die Morde und die Kampagne gegen die Banken dreht, erzählt Markaris in vielen Details, wie die Krise sich auf die Bevölkerung auswirkt und auch, wie die Menschen selbst ihren Teil dazu beigetragen haben. Familie Charitos bildet keine Ausnahme: Zur Hochzeit der Tochter trennt sich der Kommissar von seinem geliebten alten Mirafiori, nachdem seine Frau Adriani auf ein neues Auto gedrängt hat. Nicht einmal, weil der Mirafiori kaputt war, sondern weil er die Tochter mit einem repäsentativeren Gefährt zur Kirche kutschieren müsse. Auch die Charitos‘ haben sich nun was gepumpt und müssen Ratenzahlungen leisten. Andere tun das noch viel fleißiger; Kredite gibt es nicht nur für den Hausbau und die Firmengründung, sondern auch für Urlaube oder gar die Hochzeit.

Charitos und seine Mitarbeiter leisten harte Arbeit, putzt tagelang Klinken, während ihnen die Presse im Nacken sitzt. Die Plakatkampagne erweist sich als geschickt eingefädelte Aktion und noch dazu genießen die Täter eine gewisse Sympathie in der Bevölkerung. Die krisenbedingte Anhebung seines Rentenalters von 55 auf 60 Jahre scheint für Charitos dagegen irgendwie der kleinere Schrecken zu sein. Charitos lässt sich sogar von einem Patienten Fanis‘ helfen, um seine Wissenslücken im Finanzwesen zu schließen. Diese Hartnäckigkeit zahlt sich aus:

„Sie haben eine seltende Gabe, Herr Kommissar“, meint er dann.
„Und zwar?“
„Auf den ersten Blick wirken Sie begriffsstutzig, aber dahinter verbirgt sich eine Genauigkeit im Denken.“
„Es ist nicht so sehr eine Frage des Denkvermögens, eher eine Frage der Ausdauer, unermüdlich Hinweise zu sammeln und zu einem Puzzle zusammenzufügen.“
„Jedenfalls sind Sie ein kluger Kopf.“

Markaris findet für die Mordserie eine überraschende Parallele, die gegen Ende deutlich gemacht wird und auch die Krise und ihren Werdegang in einer neuen Perspektive erscheinen lässt. Während die Mordserie nicht unbedingt mit großer Spannung aufwartet, dreht das Ende das Buch zu einer klugen Parabel, die neugierig auf die Fortsetzung „Zahltag“ macht.

Bibliografische Angaben

Verlag: Diogenes
ISBN: 978-3-25706793-4
Originaltitel: Ληξιπρόθεσμα Δάνεια
Erstveröffentlichung: 2010
Deutsche Erstveröffentlichung: 2011

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