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Bleisatz

Literatur, Rezensionen & mehr

Intermezzo VII

Intermezzo VII

Petra Hartlieb - Weihnachten in der wundervollen BuchhandlungPetra Hartlieb – Weihnachten in der wundervollen Buchhandlung

Bücher sind doch einfach immer die besten Weihnachtsgeschenke! Das wissen wir nicht erst, seit der isländische Begriff „Jolabokaflod“ auch in Deutschland griffiger wird. Das war eigentlich schon immer so, es wird so bleiben und so war es auch zur Weihnachtszeit 2018. Da tapste nicht nur ich in die Buchhandlung meines Vertrauens, da erschien auch dieses Buch. Und seither erahne ich wenigstens in Teilen, was es bedeutet, in der Vorweihnachtszeit Buchhändlerin zu sein. Nämlich genau dann, wenn alle Leute so wie ich ihre Geschenke in der Buchhandlung besorgen. Manchmal sogar auf den letzten Drücker, wenn es – je nach Wochentag – auch der Vierundzwanzigste noch zulässt.

Petra Hartlieb hat eine Buchhandlung in Wien. Und nach „Meine wundervolle Buchhandlung“, in der sie über ihre Anfänge und den „normalen“ Alltag schreibt, geht es hier ums Ganze: Das Weihnachtsgeschäft.

In kurzen Anekdoten schafft sie es, eine wunderbare Balance zu halten. Denn es gibt den tiefen Unwillen am Abend gegen jedes noch so kleine Wort nach einem Tag voller Gespräche. Es gibt die Kinder der Buchhändler, die keine ordentliche Adventszeit mit Keksen, Backen, Adventskalender und Schlitteln kriegen. Man ahnt gar nicht, wie gut ein Buchhandlungsteam sich kennen muss, wenn kleine Anzeichen für ein SOS an die Kollegen reichen, damit die eine allzu störrische Kundenforderung gelassener aufnehmen und einem guten Ende zuführen.

Gleichzeitig bleibt das ganze Buch humorvoll, selbst bei Pannen mit der Kasse, die stundenlang ein reguläres Arbeiten torpediert. Hartlieb beweist eine tiefe innere Fröhlichkeit und am Ende des Buches weiß man, dass sie in diesem Wiener Laden offensichtlich ganz genau ihren Sweet Spot gefunden hat. Sie liebt Hartlieb diesen Beruf zu sehr, als dass sie ihn nach all den vorweihnachtlichen Überstunden jemals hinwerfen würde. Und wenn ich in der nächsten Vorweihnachtszeit wieder Bücher shoppen gehe, frage ich vielleicht, ob man mir das Buch „ein kleines bisschen“ einpacken könnte. Mal schauen, wann ein Buchhändler diesen speziellen Kundenwunsch zum ersten Mal umsetzt und vor allem: Wie!

Verlag: Dumont
ISBN: 978-3-8321-9887-9
Erstveröffentlichung: 2018

Francis Nenik - Reise durch ein tragikomisches Jahrhhundert

Francis Nenik – Reise durch ein tragikomisches Jahrhundert

Der Untertitel des Buchs verrät schon, dass diese Biografie keinen üblichen Hergang nehmen wird: „Das irrwitzige Leben des Hasso Grabner“. Würde man einen Film mit dieser Story drehen, würden ihn vermutlich viele als übertrieben wahrnehmen. Doch wie sagt man so schön: Das Leben schreibt einfach die besten Geschichten. In diesem Fall stieß zufällig ein Autor darauf: Francis Nenik.

Neniks ursprüngliche Idee war, einen unbekannten Autoren zu entdecken und vor dem Vergessen zu bewahren. Dass sich dessen Leben als Achterbahn entpuppen würde, konnte er im staubigen Archiv zunächst nicht ahnen.

Grabners ungewöhnlicher Lebenslauf beginnt während des Zweiten Weltkriegs. Aufgewachsen war er bis dahin in einer klassischen SPD-Familie, „Uradel der sächsischen Sozialdemokratie“. 1930 schließt Grabner eine Lehre bei der Deutschen Buchhändler-Lehranstalt ab, wartet mit jugendlichem Eifer auf eine sozialistische Revolution und tritt schließlich der KPD bei. Die Kämpfe der Weimarer Republik gehen an Grabner zumindest körperlich vorbei, weil sich der junge Mann eher mit Schriften befasst und mit den Straßenkämpfen wenig zu tun hat. Ab 1933 aber beginnt das irrwitzige Leben. Nach der Machtergreifung tauchen er und die Parteikollegen, so gut es geht, unter. Das geht nur rund ein Jahr gut. Die nächsten Stationen sind bis 1940 das Gefängnis Waldheim und das KZ Buchenwald, danach ein Strafbataillon, mit dem er in Afrika kämpfen soll. Viele Erlebnisse übersteht er nur duch ein Wunder lebend und schafft es zurück nach Deutschland. Dort erwartet ihn die DDR, in der er beim Aufbau zwischendurch Stahlwerksdirektor wird, bevor die Funktionäre merken, dass ihnen weder Grabners Vergangenheit noch seine Flexibilität in ihre gesellschaftlichen und politischen Theorien passen.

Von einem Untergang freilich will zunächst keiner reden, man gönnt sich vielmehr eine Atempause, die, da ist man sich sicher, nicht lange andauern wird. Die Geschichte hat einfach nur mal kurz die Orientierung verloren, das gibt sich schon wieder.

Jederzeit sollte man im Hinterkopf behalten, dass Grabner keine Fiktion ist, die adrett geformt die deutsche Geschichte aufbereiten soll. Entlang Hasso Grabners Biografie schlängeln sich über zwei politische Phasen hinweg die Mechanismen von Gesellschaften, die ihre Bürger nach eigenem Belieben mit Umdeutung und Willkür formen (und das zu ihrem Erhalt geradezu müssen). Die Nachzeichnung seiner Biografie ist die Folge seiner Degradierung, die ihn dazu brachte, Ende der 1950er Jahre als Schriftsteller zu arbeiten. Sonst hätte Francis Nenik ihn sicher nicht im Archiv aufgestöbert.

Verlag: Voland & Quist
ISBN: 978-3-863911-98-0
Erstveröffentlichung: 2018

José Jorge Letria & André Letria - Wenn ich ein Buch wäreJosé Jorge Letria & André Letria – Wenn ich ein Buch wäre

Ein Buch für Buchliebhaber (sofern sie es nicht schon haben). „Wenn ich ein Buch wäre“ ist die preisgekrönte Zusammenarbeit des portugiesischen Autors José Jorge Letria mit seinem Sohn, dem Illustrator André Letria. Beide für sich sind jeweils bekannt und renommiert; für diese Teamarbeit kombinierten die beiden ihr Können.

Die Texte von Vater Letria sind kurz: Ein Satz pro Illustration, mehr Raum lässt er nicht, damit Sohn Letria diesen einen Satz zum Leben erwecken kann. Zur Titelillustration gehört beispielsweise dieser Wunsch:

Wenn ich ein Buch wäre, würde ich jemanden auf der Straße bitten, mich mit nach Hause zu nehmen.

Die Wünsche „wenn ich ein Buch wäre …“ reichen von nachdenklich (… würde ich den Lesenden helfen, ihre inneren Anker zu finden) über pragamatisch (… würde ich am Anfang nicht das Ende der Geschichte wissen wollen) bis phantastisch (… wäre ich gerne eine endlose Reise). Das klingt alles nicht sensationell? Für sich alleine sind die Sätze tatsächlich nicht spektakulär. Als Aphorismen eigenen sie sich nicht. Das Buch lebt von den Drucken, die André Letria mit einem ganz sparsamen Farbspektrum und schlichten Formen gestaltet und mit denen er diese Sätze interpretiert. Für Büchermenschen, die eine Ader für Grafik haben, macht sich dieses kleine Büchkein ganz gut als Geschenk.

Verlag: Midas Verlag
ISBN: 978-3-03876-104-4
Originaltitel: Se eu fosse um livro
Erstveröffentlichung: 2011
Deutsche Erstveröffentlichung: 2016
Übersetzung: Gregory C. Zäch

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