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Ein Buchphänomen spaltet die Geister

Ein Buchphänomen spaltet die Geister

Bücher von und über Promis: Vermarktung, Fan-Liebe oder einfach schade um’s Papier?

In den letzten drei Jahren sorgten so viele Promis wie noch nie für Furore auf dem Büchermarkt. Begleitet wurde die Welle von verbalen und juristischen Grabenkämpfen, die so manchem Buch mehr Aufmerksamkeit verschafften, als es das Marketing alleine je geschafft hätte.

Dabei ist das Phänomen kein altes: In den 1980er Jahren schrieb Avery Corman die Geschichte des Drehbuchschreibers Paul Brock (Show Time, Originaltitel: The big hype). Der Ärmste konnte weder singen, noch schauspielern, wollte aber mit Hilfe eines Freundes genau über diesen Umweg den großen Wurf schaffen in der Literaturwelt. Beliebige Variationen des Themas sind aus der Realität bekannt.

Die Autorenschaft: Berufung oder Krankheit?

„Letzteres“ sagt zumindest der Journalist Dominic Hebestreit, der dem Bazillus den Namen Biografitis verlieh. Es scheint nach dem Motto zu gehen: Es ist nur der ein Superstar, der schon einmal Autor war. Dabei ist es unerheblich, dass die teils gerade mal 20-jährigen Möchtegern-Stars kaum etwas wirklich Bewegendes mitteilen können. Was bleibt denn, abgesehen von einer kurzen zwölfmonatigen TV-Präsenz? Inhalt für einen Bestseller?

Vielleicht ist es aber doch ganz anders: Vielleicht tun die Promis in der Tat etwas Gutes für unsere Gesundheit. Verhaltensforscher jedenfalls bescheinigen dieser Form der Trivialliteratur einen heilsamen Aspekt: Die ereignislose Langeweile des eigenen Alltags wird verringert durch die Teilnahme am schillernden Leben der Stars. Wie vorteilhaft, dass uns diese Bücher dabei stilistisch unterstützen, denn leicht lesbar sind sie allemal.

Einige Begründungen für Biografien reizen potenzielle Kunden eher zum Lachen. Alexander Klaws sagt in seinem Buch beispielsweise „Ich möchte nicht eines Tages die Frage lesen: ‚Was wurde eigentlich aus Alexander?‘ Ich bin sicher, dass Ihr mir dabei helfen werdet, dass diese Frage nie gestellt wird.“ Wahrscheinlich hat er da was missverstanden, denn er selber muss mit einer guten Leistung dafür sorgen.
Lustig auch ein Wortwechsel mit Boris Becker, der einige Details niedergeschrieben hat, damit seine Kinder „die Wahrheit schwarz auf weiß haben.“ Worauf Thomas Gottschalk die einzig mögliche Rückfrage stellt: „Hättest Du es ihnen nicht auch unter vier Augen sagen können?“ Ja, die Antwort darauf hätte ich auch gerne.

„Der Bohlen finanziert den Goethe“

Neben Harry Potter allerdings war in der letzten Zeit fast nur über die Klatschorgien Kasse zu machen, ein Lichtblick also für eine finanziell leicht darbende Literaturszene. Das Geld der Neugier sichert und finanziert die Vielfalt in Verlagen und Buchhandlungen. Glücklich der Verlag, der einen Promi unter Vertrag nehmen konnte.

Das Rezept fürs Mitschwimmen auf der Bücherwelle muss ungefähr so funktionieren: Ein knackiger Titel für das Cover, mehr oder weniger gutes Material für zwei- bis dreihundert Seiten Papier, eine nette Bilderauswahl und im Idealfall gleich noch ein Hörbuch hinterher. Mehr Ingredentien findet jedenfalls auch ein gewiefter Kolumnist der Welt nicht.

Vermarktung ist alles

Wie das Phänomen zeigt, lässt sich so ziemlich alles mit der richtigen Strategie an den Mann bringen. Wahre Leistung ist nicht unbedingt nötig, solange die Medienpräsenz stimmt. Da sprangen einige noch schnell auf den Zug auf: Kluge Vermarkter bannten ihre Schäfchen fix auf Papier, bevor sie endgültig in der Versenkung verschwinden. Im Ernstfall findet sich immer ein Thema, zu dem ein Buch machbar ist, und wenn es nur die Flut der Kochbücher vermehrt.

Wem das pure Marketing nicht reicht, spannt sich Juristen vor den Karren. Die Provozierten nehmen den Verlagsstrategen mit einstweiligen Verfügungen, Strafanzeigen und eingestampften Auflagen eine Menge Arbeit ab — eine ganze Menge Publicity gratis. Nehmen die Betroffenen TV- und Radio-Termine wahr, können sie manche Schmach durch clevere „Richtigstellungen“ ausbügeln und bei der Gelegenheit die eigene Bekanntheit sowie den Geldbeutel mit Honoraren wieder aufpolieren. Die nächste Variante ist, selber zur Feder zu greifen. Schließlich ist der Ursprung allen Übels gerade noch in aller Munde.


Foto: Daniel Robert Dinu (unsplash)

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