Katja Hirschel – Der Semmelkönig

von Bettina Schnerr
2 Minuten Lesezeit
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Erzieher und Erzieherinnen im Kindergarten haben es schwer. Manchmal nerven die Mütter mehr als deren wilde Kinder. Der männliche Erzieher flirtet mit allem, was einen Rock an hat und die unmotivierte Praktikantin, die nur wegen „Vitamin B“ im Kindergarten gelandet ist, verspätet sich. Allerdings kann sie nichts dafür: Die Kinder des Waldkindergartens von Bad Berging finden sie tot im Wald, bekleidet mit einem Rotkäppchen-Kostüm. Die örtliche Polizei unter der Leitung von Kommissar Maus beginnt ihre Arbeit inmitten einer Horde Kinder, die sich dem abenteuerlichen Charme ihrer Entdeckung nicht entziehen kann.

Maus, technisch nicht ganz auf der Höhe, ist dankbar, kann er damit doch gleich den Beamten beschäftigen, der wegen eines Austauschprogramms für einige Zeit in Bad Berging arbeiten wird: Hannes Petersen aus Hannover. Auch Petersen ist glücklich mit der Aufgabe. Denn er entkommt der anstrengenden Einführungsrunde der Kollegin Claudia Hubschmied, die ihn eine Stunde lang mit den Räumlichkeiten vertraut gemacht hatte: „Und hier ist der Kopierer.“

Die ausgedehnte Vernetzung der Einwohner fordert Petersen nicht minder: Hier kennt entweder jeder jeden oder jeder ist mit jedem verwandt. Befangenheit? Kennt man in Bad Berging nicht. Hubschmied beispielsweise ist die Cousine des Erziehers, der die Tote gefunden hat und die Verlobte des Semmelkönig-Erben Georg Möller. Dessen Vater verschwindet irgendwann von der Bildfläche, es sieht nach Entführung aus, aber Hubschmied ermittelt weiter. Immerhin, es ist am Ende nicht nur ein Mörder zu fangen.

„Der Semmelkönig“ schüttet ein prall gefülltes Wunderhorn über seinen Lesern aus: Im bayrischen Dorf steppt der Bär, wenn es einen Kriminalfall gibt. Die Nachbarn tratschen, Petersen wird heftig angeflirtet und überhaupt gibt es eine Menge Beziehungen, die mal mehr, mal weniger heimlich gepflegt werden. Die Polizei scheint ein bisschen im Dunklen zu tappen, geleitet von einem Kommissar, der noch schlechter mit Emails oder Technik umgehen kann als ein Ermittler aus einem Krimi von 1952. Dazu gepackt werden so ziemlich alle Themen, die für ein bayrisches Dorf offenbar als relevant erachtet wurden: Schlecht bezahlte polnische Arbeiter, die als Schwarzarbeiter eine komplette Baustelle meistern, der alternde Golfer, der sich an sämtliche Frauen des Dorfes ranwirft, der geizige, reiche Unternehmer und die zickige Unternehmerinnentochter. Gefolgt von einem alten Vogelliebhaber, dessen Frau immer besser Bescheid weiß, traditionelle Bayern, denen Zwiebelbeete im Vorgarten ein Dorn im Auge sind, einem grandiosen Privatermittler aus der Stadt, einer renitenten Oberschwester, einer ungewöhnlich ausgestatteten Jagdhütte und einem Finale, das in kurzer Zeit sämtliche Actionregister zieht.

Aufgeteilt ist die Action in 203 Kapitel, allesamt ungewöhnlich kurz und manch eines kaum eine Seite lang. Da ist entschieden zu viel geschnitten worden, denn so sehr Kürze auch für Tempo stehen mag, geht es bei derart kurzen Passagen eher verwirrend schnell zwischen den Erzählsträngen hin und her. Nach Angaben von Rezensenten, die das gedruckte Buch gelesen hatten, gibt es in jener Fassung am Ende offensichtlich noch ein Personenverzeichnis, das dem Ebook fehlt. Schlecht hätte es der digitalen Version aber nicht zu Gesicht gestanden, da Hirschel eine recht lange Besetzungsliste aufgebaut hat und man aufpassen muss, will man all die familiären und beruflichen Verbindungen nicht aus den Augen verlieren.

Dafür aber punktet das Buch mit einem Humor, der oft genug die Grenze zum Klamauk kratzt. Bad Berging balanciert in dieser Hinsicht munter auf Augenhöhe mit Klufti oder Jennerwein. Katja Hirschel macht mit ihrem Erstling Laune und sorgt für kurzweilige Unterhaltung. In der Sparte Humorkrimi darf gerne auch zwei Jahre nach Erscheinen noch zu meinem Einkauf vom Indiebookday 2013 gegriffen werden.

Bibliografische Angaben

Verlag: Tubuk digital
ISBN: 978-3-95595-006-4
Erstveröffentlichung: 2013

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