Shoji Morimoto – Rental Person who does nothing

von Bettina Schnerr
3 Minuten Lesezeit
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Was tut man, wenn der eigene Chef stetig ätzt, man merke gar nicht, ob man da sei oder nicht? In einem Verlag, der Schulungsmaterialien herausgab, bezahlte man nach Meinung des Chefs jedenfalls Shoji Morimoto schlicht fürs Nichtstun. Aus diesem Vorwurf heraus entwickelte der junge Mann eine trotzige, aber kreative Idee: Seit 2018 kann man Shoji Morimoto ganz offiziell fürs Nichtstun engagieren.

Über Twitter bot er seinen Service seinen 300 Followern an und konnte zügig erste Anfragen verbuchen. Die einzige Bezahlung, die er einforderte, waren seine Fahrtkosten sowie allenfalls Verpflegung, sowie andere Ausgaben, die während des Nichtstuns anfielen. Überraschend schnell stellte er fest, dass seine reine Anwesenheit wirklich gefragt war. Morimoto ist nicht nur der perfekte Begleiter für Menschen, die nicht alleine essen gehen oder nicht alleine ins Kino gehen möchten. Oder für Menschen, die sich am Bahnhof von jemandem verabschieden möchten. Mehr als 100’000 Follower nur zehn Monate später zeigen, dass der junge Mann unbewusst einen Nerv getroffen hatte.

Vom großen Wert, einfach da zu sein

Denn er kann etwas leisten, was für viele nur ein Fremder kann. Denn wen könnte man zum Beispiel fragen, beim Unterschreiben der Scheidungspapiere dabei zu sein — für Bekannte wäre es wohl unangenehm, zu enge Freunde möchte man nicht mit solchen Situationen konfrontieren. Oder wie hält man am besten eine Deadline ein? Mit Shoji Morimoto als Gegenüber gelingt es einer Mangazeichnerin, konzentrierter an ihren Seiten zu arbeiten. Und wieder anderen gelingt es erst dank der Rental Person, schwierige Besuche zu machen oder sich ernsten Erinnerungen zu stellen.

Die Anfragen gewähren Morimoto unerwartet tiefe Einblicke in die Lebenssituationen seiner Auftraggebenden. Sie erzählen von Einsamkeit oder persönlichen Mutproben, aber auch von Klienten, die ihm mit kreativen Anfragen für seinen Service danken möchten. Für viele Anfragende dient „Rental Person“ als Katalysator, wie er selbst feststellt. Er ist das fehlende Puzzlestück, um etwas zu bewältigen. Zwar weigert sich Morimoto während seiner Engagements natürlich, etwas zu tun – er berät nie, gibt nur einfache Antworten und stellt keine Rückfragen. Aber man merkt im Buch, dass er sich sehr viele Gedanken über seine eigene Motivation und die seiner Klienten macht.

Es wäre allerdings zu einfach, die Phänomene der Einsamkeit oder einer gewissen Offenheit gegenüber Fremden ausschließlich auf Japan und seine gesellschaftlichen Normen oder dessen Arbeitswelt zuzuschreiben. Sie spielen gewiss eine sehr große Rolle. Nicht zuletzt, weil Shoji Morimoto sich als sehr farblos darstellt und jemand, der mit beruflichen „Pflichten“, wie gemeinsamen Trinkabenden, wenig anfangen kann. Doch ich möchte wetten, dass eine vergleichbare Idee hier ebensogut funktionieren würde.

Rental Person, who writes nothing

I have, as usual, done nothing. I have simply watched, with interest and surprise, as this book has developed.

Wie die Idee zu diesem Buch zustande kam, kann man nur spekulieren. Selbst geschrieben hat Morimoto nämlich nicht. Er hat vielmehr auf gezielte Fragen eines Autoren und eines Lektors reagiert, die die Kernaspekte seines Angebots zusammenfassen. Wie eben das Nichtstun, keine eigene Persönlichkeit zu zeigen, oder den Auftraggebenden nicht zu nahe kommen. Dazwischen platziert sind einzelne Tweets und Fotos von seinem Instagram-Account, den er sporadisch befüllt. Dem namenlosen Autor ist es gelungen, dem Buch Morimotos Spirit zu verleihen.

Shoji Morimoto - rental person who does nothing

Als „Rental Person“ arbeitet Shoji Morimoto übrigens bis heute. Inzwischen trägt er damit zum Lebensunterhalt seiner Familie bei. Während er sich zu Beginn lediglich Anfahrt und Verköstigung bezahlen oder erstatten ließ, gab es später einen gewissen Tarif für seine Zeit. Heute überlässt er es der Kundschaft, den Preis selbst zu bestimmen und möchte herausfinden, ob das System dann immer noch nachhaltig funktioniert. Seine bisherigen jährlichen Honorare werden mit rund 80’000 Dollar angegeben. Die Zahl zeigt, dass Shoji Morimoto eine zentrale Perspektive auf das menschliche Leben gut getroffen hat: Jeder Mensch hat einen Wert einfach nur deshalb, weil er da ist. Und das ist ihm das Wichtigste.

Bibliografische Angaben

Verlag: Picador
ISBN: 978-1-0350-1281-7
Originaltitel: Rentaru nanmo shinai hito to iu service wo hajimemasu (レンタルなんもしない人というサービスをはじめます)
Erstveröffentlichung: 2019
Englische Erstausgabe: 2023
Übersetzung: Don Knotting

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