Intermezzo XXI

von Bettina Schnerr
4 Minuten Lesezeit
Intermezo XXI, mit Büchern von Martin Walker, Matthias Wittekind und Daiel de Roulet

Martin Walker – Revanche

Das Idyll von Saint-Denis wird doppelt und dreifach gestört. Bruno Courrèges, der Chef de Police, wird zwei Wochen lang von einer jungen Politikerin aus dem Justizministerium begleitet. Sie will detailliert analysieren, wie Bruno arbeitet und auf dieser Basis Leitlinien für andere Regionen erstellen. Bruno kommt sich auf Anhieb eher kontrolliert vor. Wird jedes Croissant im Protokoll landen, das er spendiert bekommt, und jeder Pastis, den er trinkt?

Wenigstens kann man nicht sagen, dass die Hospitantin eine langweilige Zeit im Périgord hat. An einer Klippe mit geschichtsträchtigen Höhlen stürzt eine junge Frau bei Graffitischmierereien in den Tod. So, wie es aussieht, war sie beim Klettern nicht alleine – das Kletterseil ist jedenfalls verschwunden. Und ein ehemaliger Pater aus einem Waisenhaus wird von drei ehemaligen Heimkindern des Missbrauchs beschuldigt. Es gibt also nicht nur viel zu tun. Bruno wird, wie in einigen Fällen zuvor, am Ende auch die gesamte Erfahrung aus seiner Militärzeit brauchen, um einen der Fälle zu lösen und Schlimmeres zu verhindern.

Martin Walker mischt sein bewährtes Rezept mit viel lokaler Geschichte, mehreren Abenden voll geselligem und gutem Essen sowie aktuellen politischen Bezügen. Dieses Mal sorgen Extremisten dafür, dass Saint-Denis zu einem potenziellen Anschlagsziel wird. Ein tausend Jahre altes Dokument mit einem heute brisanten Bekenntnis könnte in einer er vielen Höhlen der Gegend geborgen werden und nerdige Mittelalterforscher finden sich im Mittelpunkt des Nahostkonflikts wieder. Ausgabe 10 der Serie ist ein flüssig geschriebenes Abenteuer, das zum weltgewandten Walker passt, für Saint-Denis auf mich aber eine Nummer zu groß wirkt. Doch das passiert ja nicht zum ersten Mal und es ist für mich bislang dennoch nie ein Grund gewesen, die Serie nicht fortzusetzen.

Verlag: Diogenes
ISBN: 978-3-257-07025-5
Originaltitel: The Templers‘ last Secret
Erstveröffentlichung: 20201707
Deutsche Erstveröffentlichung: 2018
Übersetzung: Michael Windgassen

Matthias Wittekindt – Fünf Frauen

Cover Matthias Wittekindt - Fünf Frauen

Manz ist Kriminalkommissar a.D., 74 Jahre alt, und die Familie versammelt zur zur Konfirmation eines Enkels. Ein Gedicht von Dietrich Bonhoeffer löst in Manz noch während der Feier eine Erinnerung an einen früheren Fall aus. Das Buch geht so erzählerisch zurück ins Jahr 1983, als die Leiche eines Pfarrers in einem Neuköllner Altbau gefunden wird.

Zwischen Schnipseln, wie Manz mit dem Schwiegersohn die Gartenfläche für die Feier bereit macht und in der Kirche zu viel schwätzt, erinnert er sich intensiv an den heißen Sommer, in dem er mit Kollege Borowski den ungewöhnlichen Mord aufklärt. Denn die Hausbewohner vermissten den Pfarrer und waren angeblich alle auf bestem Fuß mit ihm. Und doch warteten sie eine Woche, um die Wohnung von der Polizei öffnen zu lassen. Manz ahnt, dass er belogen wird und muss seinen Weg zwischen einer ganz neuen Aids-Stiftung, einem Hospiz, Nachlassversteigerungen und Drogen finden. Und abends seine Kinder versorgen, weil die Frau auf Dienstreise ist.

Matthias Wittekindt hatte mich schon mit dem französischen Lieutenant Ohayon begeistern können. Wie damals machen auch hier vor allem zwei Dinge für mich den Reiz aus: Die Kunst, Szenen vor dem inneren Auge zum Leben zu erwecken, und die Fähigkeit, Charaktere zu zeichnen. Auf Manz wartet unter anderem die Herausforderung, dass Selbstbilder und Fremdbilder einiger Personen nicht zusammenpassen. Sie üben sich in geistigen Verrenkungen, um die Diskrepanzen zu verdrängen. Das führt zu Lügen und fehlenden Aussagen, die Manz die Einordnung zunächst erheblich erschweren.

Mit der Grundidee, den sich längst im Ruhestand weilenden Manz als Erzähler auszusuchen, kann Wittekindt seine beiden Stärken vortrefflich ausspielen. Die Idee erlaubt ihm, sich in den Erinnerungen auf das zu konzentrieren, was die zwischenmenschliche Seite des Falls ausmacht. Die finale Lösung ist nur ein Teil davon – sie schließt den Fall ab, rückt aber die alles entscheidenden fünf Frauen in den Mittelpunkt.

Verlag: Kampa
ISBN: 978-3-311-12572-3
Deutsche Erstveröffentlichung: 2018

Daniel de Roulet – Ein Sonntag in den Bergen

1975, schreibt Daniel de Roulet, habe er Axel Springers Chalet oberhalb von Gstaad angezündet. Gemeinsam mit seiner damaligen Freundin stieg er mitten im Winter hoch zur Hütte, die ohne Strom und Versorgungsstraße auskam. Ein Zeit, in der in Deutschland die RAF aktiv war, und die Studenten nach Kräften gegen das Etablissement kämpften. Ein Etablissement, das sich ihnen nicht schnell genug von seiner Nazi-Vergangenheit distanzierte. De Roulet glaubt, dass auch Springer ein Nazi war und will selbst aktiv werden. Das Chalet bietet sich als ideales, symbolisches Ziel an, weil dort sicher niemand zu Schaden kommen wird.

Das Buch gestaltet sich nicht nur als ein einfaches, recht distanziert geschriebenes Geständnis einer Tat. Es ist auch Eingeständnis eines tiefgreifenden Irrtums, nämlich dass Springer sicher ein hoch unangenehmer Mensch war, aber zumindest eines nicht: Nazi. Auch, wenn der Autor selbst das erst viele Jahre später erfahren sollte. Es ist Zeitgeschichte, aber auch Liebesgeschichte. Die eines jungen Mannes, der sicht nach den Sticheleien seiner großen Liebe entschließt, ihr jenen Mut zu zeigen, den sie vermisst. Nur mit viel Glück werden die beiden nicht geschnappt, denn die Polizei vermutet die Täter im Ausland und verzichtet darauf, in der Schweiz zu fahnden.

Das Buch war bereits 2006 erschienen und vor allem in der Schweiz kontrovers aufgenommen worden. Nun erscheint es erneut, mit einem Nachwort ergänzt. Darin erzählt de Roulet, dass immerhin die Gemeinde Rougemont dankbar für sein Geständnis war. Ein Geständnis, das seit seinem Erscheinen übrigens einige Zeitungen anzweifeln (vor allem der Axel Springer Verlag selbst). Ist de Roulet tatsächlich ein Brandstifter? Oder regt er mit diesem Buch einfach sehr geschickt zum Nachdenken darüber an, dass wir Menschen oft mit Feindbildern arbeiten und sich daraus viele Entscheidungen ableiten, die sich im Nachhinein als Fehler mit großer Tragweite entpuppen?

Verlag: Limmat
ISBN: 978-3-03855-289-5
Erstveröffentlichung: 2006
Neuauflage: 2025
Übersetzung: Maria Hoffmann-Dartevelle

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