Am Weihnachtsabend ist die Idylle Pflicht. So auch im kleinen Dörfchen Byford, wo der Schnee malerisch rieselt. Nach dem Besuch im lokalen Pub aber entdeckt die Familie von Pfarrer Wheeler einen erschlagenen Mann in ihrem Pfarrhaus. Der Tote ist ihr eigener Schwiegersohn, Ehemann von Tochter Joana, die erst kürzlich wieder zu ihnen gezogen war.
Für Chief Inspector Lloyd und seine Partnerin (beruflich wie privat) Sergeant Judy Hill wird das ein knackiger Fall. Denn Motive gäbe es viele. Joana wurde von ihrem Mann immer wieder verprügelt; das ist auch der Grund, warum sie in ihr Elternhaus zurückgekehrt ist. Dort taucht ihr Mann an Weihnachten auf und hofft auf ihre Rückkehr.
Unter diesen Umständen gehören neben der Tochter natürlich auch die besorgten Eltern zu den Verdächtigen. Und ebenso „natürlich“ passt zu diesem Krimimuster die Frage, ob es im Dorf nicht noch mehr Menschen gibt, die mit dem Schwiegersohn eine Rechnung offen haben.
Obendrein mischt sich in Lloyds und Hills Ermittlungen ihr eigenes Privatleben. Sie führen eine Beziehung, die sie gut unter Verschluss halten. Der eine geschieden, die andere in einer Ehe, die nur für das Papier geschlossen wurde.
Interessante Modernisierung
Auch wenn das Cover es vermuten lässt, ist diese Wiederauflage nicht ganz so alt wie jene Weihnachtskrimis, die sonst in die Herbstprogramme kommen. Dennoch passt der Krimi gut in die Reihe, als Hommage an den fast gleichnamigen Agatha-Christie-Klassiker einerseits und inhaltlich bereits spürbar modernisert andererseits. Mir jedenfalls fallen zwar durchaus tyrannische Mordopfer in Krimiklassikern ein. Doch so deutlich wie hier wurde meines Wissens nie die häusliche Gewalt gegen Frauen thematisiert.
Joana wird ihren weiteren Weg ohne Gewalt machen können. Und doch tönt im Roman an, wie ihre Zukunft hätte aussehen können. Jill McGown spricht die inneren Kämpfe vieler betroffener Frauen an, die ihre Ehe retten möchten und hoffen, dass sich der Ehemann wieder fängt. Zugleich sind nicht alle Mitglieder der Familie aus purem Interesse an ihrem Wohlergehen so unglaublich hilfsbereit.
Eine andere Form der Beziehung spiegeln Lloyd und Hill und so, wie ich den Roman verstehe, hat McGown die aktuellen Herausforderungen des Paars ganz bewusst aufgebaut. [Anm.: Es gibt 13 Teile der Lloyd-Hill-Serie, von der aber nur der zweite, „Mord im alten Pfarrhaus“, ins Deutsche übertragen wurde.] Das gilt sowohl in ihren eigenen Erwartungen als auch denen, die auf sie projiziert werden.
Alles in allem ein Weihnachtskrimi, der sich gut in die Reihe der Weihnachtsklassiker einfügt, bevor ich die kleine, diesjährige Serie morgen mit einem alten Bekannten abschließen werde.
Bibliografische Daten
Verlag: Dumont
ISBN: 978-3-8321-9884-8 (HC)
ISBN: 978-3-8321-6509-3 (TB)
Originaltitel: Redemption / Murder at the Old Vicarage
Erstveröffentlichung: 1988
Diese Ausgabe: 2018
Übersetzung: Barbara Först
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