Michiko Aoyama – Frau Komachi empfiehlt ein Buch

von Bettina Schnerr
2 Minuten Lesezeit
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Ein ruhiger Stadtteil in Tokyo, eine kleine Bibliothek im Gemeindezentrum, das sind die Schauplätze von Michiko Aoyamas Episodenroman. Fünf Personen in unterschiedlichen Etappen ihres Lebens finden eher zufällig ihren Weg dorthin. Sie besuchen Kurse, benötigen ergänzende Lektüre und kommen so mit Frau Komachi an der Auskunft in Kontakt.

Das Interessante an Komachis Empfehlungen? Zu denen gehört nicht nur eine kleine, gefilzte Figur, die Frau Komachi als Dreingabe aus einer Schublade zieht. Stets taucht am Ende ihrer Bücherliste ein Buch auf, das überhaupt nicht zum Thema passt. Just jenes bringt die fünf Personen auf neue Ideen, wie sie aus ihrer momentanen Sackgasse herauskommen — sei es eine berufliche oder eine persönliche. Eine Verkäuferin fühlt sich ein wenig deplatziert, ein Neu-Rentner weiß nicht, was er mit seiner Zeit anfangen soll, und ein junger Mann fragt sich, ob er sich den Traum eines eigenen Geschäfts erfüllen soll.

Aoyamas Buch läuft vermutlich unter dem Stichwort „healing novel“: Menschen in einer festgefahrenen Situation erhalten einen kleinen Stupser, der ihnen einen Ausweg zeigt. Mitunter haben sie bereits Ahnungen, manchmal tun sich völlig neue Türen auf. Insofern muss so eine Weichenstellung im Vergleich zum klassischen Roman recht schnell erfolgen, wenn auf rund 270 Seiten gleich fünf Personen aus dem Stadtviertel ihre Leben teils sehr deutlich umkrempeln.

Mut zum Perspektivwechsel

Aber, bevor jemand dieses Buch deshalb aufgeben möchte, Aoyama bekommt in diesem Episodenroman deutlich besser die Kurve als in ihrem Kirschbaum-Café. Voneinander unbemerkt, hängen die Figuren zusammen und kreuzen gelegentlich ihre Pfade. Schon die Schüler des Computerkurses aus der ersten Geschichte tauchen später alle wieder auf, und auch ein Kaufhaus wird mehrfach eine Rolle für die Figuren spielen.

Dieser Job unterschied sich komplett von meinen früheren Anstellungen. Hier war ich keine Niete. Ich hatte bisher einfach nie den richtigen Platz gefunden, um wertgeschätzt zu werden.

Letztlich ist auch die vollmundige Ankündigung der „Kraft der Literatur“ nicht ganz so dramatisch, wie der Klappentext fett aufträgt. Natürlich taucht immer diese merkwürdige Buchauswahl auf. Aber es stellt sich heraus, dass auch die Filzfiguren Denkanstöße geben — wie Frau Komachi richtig anmerkt, interpretiert jeder in ungewöhnliche Impulse eine eigene Erfahrung hinein oder individuelle „Signale“. Zumal jeder und jede ohnehin an einem Punkt im Leben steht, an dem er nach einer neuen Orientierung sucht. „Frau Komachi empfiehlt ein Buch“ ist in dieser Hinsicht eine kleine Erinnerung daran, dass sich Möglichkeiten an unerwarteten Stellen auftun, wenn man bereit ist, die Augen offen zu halten und sich bewusst mit anderen austauscht.

Viel eindrucksvoller als die Anspielung auf Literatur ist Aoyamas Blick auf die Arbeitswelt, die sich in den Geschichten abzeichnet. Eine große Rolle spielt die Identifikation mit einer Aufgabe, die über Erfolge, Teamplay, Perspektiven und auch Zufriedenheit entscheidet. Sie kann vielfältige Formen annehmen – von der Stellensuche über die Weiterbildung bis hin zum Hobby. Erst, als den fünf Hauptpersonen die eigene, künftige Rolle klar wird, können sie sich auf die nächsten Schritte fokussieren.

Ein schöneres Cover und ein Rezept

Über das Cover (das bei allen bisherigen Aoyama-Übersetzungen so fantasielos ausfällt) hatte ich mich ja bereits an anderer Stelle ausgelassen (wer nachschauen will: hier und hier). Daher an dieser Stelle lieber das Cover der Originalausgabe, das die fünf gefilzten Figürchen zeigt. Und da im Buch eine Kekssorte namens Honeydome eine große Rolle spielt, verlinke ich für neugierige Naschkatzen ein Rezept, mit dem sich solche Kekse nachbacken lassen dürften. Die Bloggerin schwört, solche Kekse gebe es tatsächlich (was ich allerdings nicht verifizieren konnte, denn alle anderen Funde sagen, sie seien fiktiv).

Bibliografische Angaben

Verlag: Rowohlt
ISBN: 978-3-644-01473-2
Originaltitel: Osagashimono wa toshoshitsu made (お探し物は図書室まで)
Erstveröffentlichung: 2020
Deutsche Erstausgabe: 2023
Übersetzung: Sabine Mangold

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