Intermezzo XXIII

von Bettina Schnerr
4 Minuten Lesezeit
Header: Intermezzo XXIII mit Büchern von Agatha Christie, Tran-Nhut und Henry Slesar

Tran-Nhut – Das schwarze Pulver von Meister Hou

Tran-Nhut - Das schwarze Pulver von Meister Hou

Hinter Tran-Nhut stehen die Schwestern Thanh-Van und Kim, die das Vietnam des 17. Jahrhunderts in insgesamt sechs oder sieben Krimis zum Leben erwecken. Die Originale erschienen in Frankreich, in deutscher Übersetzung gibt es nur diesen Titel. Da muss der noch recht junge Mandarin Tân den Angriff auf eine Dschunke aufklären, der scheinbar von Geistern ausgeführt wurde. Ein Graf wird ermordet, obgleich das Zimmer abgeschlossen ist, und die Gefängniswärterin verschwindet spurlos. Mit Unterstütung durch den Schriftgelehrten Dinh und den Arzt Doktor Porc versucht Tân, die rätselhaften Zusammenhänge aufzuklären.

Ein ausgesprochen unterhaltsames Fundstück mit humorvollen Hauptpersonen, das mehrere Aspekte miteinander verbindet. Vietnam setzt sich seit jeher gegen das mächtige China zur Wehr, das sich das Land immer wieder unter den Nagel reißen will. Gleichzeitig setzt ein starker Handel mit Europa ein und die Vietnamesen spüren, dass auch die Europäer ihre Fühler nach dem Land ausstrecken. Wenn auch auf eine andere Art. Während die einen im Handel ihr Glück suchen, sehen andere das Risiko des Ausverkaufs.

Ein Jesuit, der in der kleinen Küstenprovinz gestrandet ist, tauscht sich mit Einheimischen über seinen Glauben und die fernöstlichen Philosophien aus. Dem Jesuiten tun sich fundamental andere Denkweisen auf und zudem wankt bald das Bild eines überlegenen Europa. Mandarin Tân windet sich durch religiöse Gruppen und diverse Interessen, bis er die Fäden entwirren kann. Von diesem Mandarin hätte ich gerne mehr gelesen. Er erinnere an Robert van Guliks chinesichen Richter Di, habe ich in einem anderen Kommentar gelesen und ich denke, das trifft es ganz gut.

Verlag: Unionsverlag
ISBN: 978-3-293-20479-9
Originaltitel: La poudre noir de Maître Hou
Erstveröffentlichung: 2002
Deutsche Veröffentlichung: 2010
Übersetzung: Michael Kleeberg

Henry Slesar – Vorhang auf, wir spielen Mord

Ich bin mir hundertprozentig sicher, dass ich diesen Titel vor gut 25 Jahren schon einmal in der Hand hatte. Das gilt für viele der schwarzgelben Titel in meinem Regal und so ist Slesar ein gutes Testobjekt für die Frage: Erinnere ich mich auf irgendeine Weise beim Lesen an einzelne Szenen? Werde ich wenigstens gelegentlich ein Déjà-vu erleben? In diesem Fall ein klares Nein. Ein Jammer, denn die Story ist schon genial gestrickt – sie hat etwas von „Oceans Eleven“. In diesem Fall wird mit gewissem Aufwand ein raffiniertes Täuschungsmanöver aufgezogen, um einem starrsinnigen Vermieter die Leviten zu lesen.

Etwas ausführlicher liest es sich so: Eine „leicht lädierte“ (wie Diogenes so schön schrieb), kleine Schauspielgruppe mietet sich in eine leere Immobilie ein, um dort hoffentlich so viel Erfolg einzuheimsen, dass sie es auf größere Bühnen schaffen. Doch der Vermieter hasst Theater nach Kräften und kündigt ihnen umgehend, als er von den Plänen erfährt. Das riecht freilich nach Rache. Wenn sie schon mal Schauspieler sind, können sie ihm doch mit einer Scharade in kreativen Kulissen die Leviten lesen? Doch das Projekt läuft aus dem Ruder und eines Tages liegt ein Toter herum.

So wie die Sache liegt, stammen die Verdächtigen natürlich aus dem Kreis der Beteiligten selbst. Und so sind sie auf einmal auf ganz andere Art gefordert – als Detektive statt als Schauspieler.

Déjà-vu: null / Lesespaß: sehr viel

Verlag: Diogenes
ISBN: 3-257-20216-4
Originaltitel: Enter Murderer
Erstveröffentlichung: 1960
Deutsche Erstveröffentlichung: 1975
Übersetzung: Thomas Schlück

Agatha Christie – Das krumme Haus

Charles Hayward kehrt nach einigen Jahren im Ausland nach England zurück, um endlich seiner Angebeteten einen Antrag machen zu können. Eigentlich ist die Sache zwischen ihm und Sophie Leonidas geklärt, doch als es so weit ist, stirbt ihr Großvater. Der Tod entpuppt sich als Mord und Sophie will erst heiraten, wenn der Fall aufgeklärt ist. Zufällig ist Charles‘ Vater bei Scotland Yard und so haben vielleicht beide etwas davon: Die Polizei will ohnehin einen Mörder finden und Charles seiner Hochzeit den Weg bereiten. Als Verlobter hält Charles auf dem Anwesen der Familie nun einfach ein bisschen Augen und Ohren offen.

Einen Mord begangen zu haben, versetzt einen in einen Zustand großer Einsamkeit. Man möchte alles darüber erzählen — und kann nicht, darf nicht. Und das bewirkt, dass man es umso mehr will.

Wobei, „einfach“ ist es nicht. Die Familie ist ungewöhnlich in ihrer Zusammensetzung und jeder könnte ein Interesse am Tod des Familienoberhaupts gehabt haben. So richtig griffig aber ist nichts und so steht die Polizei lange mit leeren Händen da. Charles allerdings auch. Er bekommt als künftiges Familienmitglied zwar viel zu hören, schlauer wird er daraus aber ebenso wenig. Viel Potenzial hat die Story, weil sie mit den Versuchen der Familienmitglieder zu tun hat, sich zu behaupten und ein eigenständiges Leben zu formen. Mit dem alten Leonidas im Haus war das keine einfache Sache. Interessant ist das (sowieso überraschende) Ende, weil die Lösung Charles eher vor die Nase gestoßen wird als dass sie ernstlich ermittelt wird. Zwar fallen bei ihm sämtliche Puzzlesteine, die er zuvor gesammelt hatte, auf einen Schlag an den richtigen Platz, aber eben erst hinterher. Nicht vorher, wie es bei Poirot oder Marple gewesen wäre.

Agatha Christie selbst notiert, es sei eines der Bücher gewesen, die ihr richtig viel Spaß gemacht hätten und an dem sie sehr lange gefeilt habe, um es richtig hinzubekommen. Sie hoffe, man merke es diesem Buch an. Ich denke, das tut man wirklich.

Verlag: Atlantik Verlag
ISBN: 978-3-455-00230-0
Originaltitel: The Crooked House
Erstveröffentlichung: 1949
Diese Ausgabe: 2018
Übersetzung: Giovanni Bandini, Ditte Bandini

Mehr Lesestoff für dich

Schreibe einen Kommentar

Cookie-Einstellungen
Auf dieser Website werden Cookie verwendet. Diese werden für den Betrieb der Website benötigt oder helfen uns dabei, die Website zu verbessern.
Alle Cookies zulassen
Auswahl speichern
Individuelle Einstellungen
Individuelle Einstellungen
Dies ist eine Übersicht aller Cookies, die auf der Website verwendet werden. Sie haben die Möglichkeit, individuelle Cookie-Einstellungen vorzunehmen. Geben Sie einzelnen Cookies oder ganzen Gruppen Ihre Einwilligung. Essentielle Cookies lassen sich nicht deaktivieren.
Speichern
Abbrechen
Essenziell (1)
Essenzielle Cookies werden für die grundlegende Funktionalität der Website benötigt.
Cookies anzeigen