Die Polizei aus Hakata entdeckt eines Morgens zwei Leichen am Strand. Alles deutet auf den gemeinsamen Selbstmord eines Liebespaares hin. Zwar ist es schon ungewöhnlich, dass die beiden dafür extra aus Tokyo den weiten Weg in eine winterlich kalte, steinige Bucht angetreten haben. Doch da es keine Spuren von Gewalt gibt, scheint der Fall klar.
Nur Kommissar Jutaro Torigai hat Zweifel: Er stößt bei Sayama, dem jungen Mann, auf eine Quittung aus dem Speisewagen. Eine Rechnung für nur eine Person – und das bei einem gemeinsam reisenden Liebespaar? Aus Tokyo kommt extra Kiichi Mihara nach Hakata, um sich mit dem lokalen Ermittler auszutauschen. Da Sayama in einem Ministerium arbeitet, das gerade wegen einer größeren Bestechungsaffäre untersucht wird, ist der Aufwand durchaus gerechtfertigt. Zwei Kolleginnen der toten Toki, alle Serviererinnen in einem guten Restaurant, können allerdings wenig zu ihrer Kollegin beitragen. Toki war mit Informationen zu ihrem Privatleben äußerst sparsam. Umso deutlicher erinnern sich die Kolleginnen an ihre Überraschung, als sie Toki zusammen mit eben jenem jungen Mann in den Nachtzug „Asakaze“ Richtung Süden steigen sahen.
Mihara und Torigai genügt ein kleines Detail, um zu merken, dass etwas faul ist. Von Sayamas Tod profitieren würde natürlich der direkte Vorgesetzte, und eventuell auch ein Zulieferer, der sich mit Bestechung Vorteile verschafft hatte. Doch just jener Mann, der die offensichtlichste Spur hergibt, hat ein perfektes Alibil: Er war am anderen Ende Japans, auf Hokkaido (ein interessanter Schachzug, den übrigens auch bei Keigo Higashino schon einmal jemand ausprobiert hat).
Ein lückenloses Alibi
Die Ermittlungen drehen sich sprichwörtlich um Minuten. Mihara und Torigai laufen Strecken ab, prüfen Zugverbindungen, rechnen Fahrtzeiten nach. Matsumoto hat, damit der Krimi aufgeht, detailliert recherchiert. In der japanischen Wikipedia heißt es, er habe während des Schreibens sogar ein Hotelzimmer in Tokyo Station gehabt, von dem man aus damals auf die Gleise sehen konnte. Und den vier Minuten langen Schlüsselmoment auf dem Bahnsteig, der die Mordtheorie der Ermittler erhärtet, gab es während der Entstehung des Romans tatsächlich.

Der Roman verkaufte sich weit über die Erwartungen hinaus und gilt daher als ein Matsumoto-Meisterwerk. Der Autor selbst allerdings fand rückblickend, er habe sich doch sehr auf das Lösen der Rätsel konzentriert. Und das ist bei „Tokio Express“ tatsächlich der Fall: Eine besondere Rahmenhandlung gibt es nicht. Weder hinsichtlich der Bestechungsaffäre, noch hinsichtlich der beiden Ermittler. In diesem Roman trägt praktisch jeder Handlungsstrang zur Lösung des Falles ein. In dieser Hinsicht befasst sich Matsumoto in „A quiet place“ viel mehr mit persönlichen Befindlichkeiten (vielleicht eine Frage der Zeit, denn das Buch entstand fast zwanzig Jahre später).
Das relativ dünne Buch ist weniger ein Whodunit, als vielmehr ein „Howdunit“. Mit kleinen Grafiken, Tabellen, einem Briefwechsel zwischen Mihara und Torigai und noch mehr Berechnungen zu Zugfahrtzeiten – wie es sich für die klassischen Rätselkrimis gehört. Die Akribie und Geduld werden sich gegen den äußerst gewitzten Täter auszahlen.
Bibliografische Angaben
Verlag: Kampa
ISBN: 978-3-311-12093-3
Originaltitel: Ten to sen (点と線)
Erstveröffentlichung: 1958
Deutsche Erstveröffentlichung: 1958 (unter dem Titel „Spiel mit dem Fahrplan“)
Übersetzung: überarbeitet von Mirjam Madlung
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Bonusmaterial
Ein originaler Fahrplan von 1957 für die Strecke Tokyo – Osaka – Kyushu (Quelle)
