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Marie-Renée Lavoie – Tagebuch einer furchtbar langweiligen Ehefrau

Marie-Renée Lavoie – Tagebuch einer furchtbar langweiligen Ehefrau

Marie-Renée Lavoie - Tagebuch einer furchtbar langweiligen Ehefrau

„Zu langweilig geworden,“ urteilt Dianes Mann nach langen Ehejahren über seine Frau. Er hat ’ne neue, natürlich sehr viel jünger, und er verlässt das Haus. Diane muss sich von heute auf morgen mit den Scherben einer Beziehung auseinandersetzen und einen neuen Weg für sich alleine finden. Ein komischer Roman erwartet eine auf alle Fälle, denn die blinde Rücksichtslosigkeit solcher Männer lässt sich nur mit einer gewissen Ironie ertragen. Humorig geschrieben hat Lavoie also wirklich, wie der Klappentext es ankündigt, denn die Alternative wäre es gewesen, Diane mit einer Axt auf Jacques stürzen zu lassen, wie es die sich am Sexismus rächende Yamasaki Asami in Audition machte. Lieber Humor, der lässt sich unterhaltsamer verpacken.

Der Roman kann definitiv ein Zusammengehörigkeitsgefühl unter allen Frauen erzeugen, die so einen Jacques in der Hütte hatten. Denn „langweilig“ kann man in den Augen des Mannes nur werden, wenn der sich nicht die Bohne für sein Zuhause und die Kinder interessiert. Diane zeigt, dass das Attribut eine komplette Fehleinschätzung ist und sie räumt mit tatkräftiger Unterstützung einer Freundin auf. Was bleibt auch anderes übrig?

Ein Weg voll bitterer Erkenntnis

Lavoie schreibt über ein schwieriges Thema; das sollte man bei der gewissen Leichtigkeit des Romans nicht übersehen. Denn bei einer solchen Trennung tun sich nicht nur emotionale Abgründe bei der Protagonistin auf. Die Autorin zeigt mit der Story eine scharfe Kopie unserer Gesellschaft. Dabei fällt mir auf, dass es nicht unbedingt Lavoies Verdienst sein muss. Praktisch gesehen wäre jede Story über eine Diane so ein Abbild, in der all die Vorurteile und alle Doppelmoralen auf den Tisch kämen. Die einst gemeinsame Entscheidung zur Familiengründung wird ab der Trennung nämlich zu einer, die alleine die Frau zu schultern hat — wenn sie es, wie in vielen Fällen, nicht schon längst zuvor war.

Diane und tausende anderer Frauen leben in einer Gesellschaft, die den betreffenden Männern den Egoismus im Alter durchgehen lässt, die das Desinteresse an der einst erwünschten Familie entschuldigt, welche die mit dem Zuhause zusammenhängende Arbeit nicht als solche anerkennt und die Schuld für die misslungene Ehe oft genug auf die Frau schiebt. Aus dieser Perspektive heraus hält Marie-Renée Lavoie den Lesern einen Spiegel vor, verpackt als munteren Roman über eine 48-jährige. Lavoie trifft damit ins Schwarze, wie eine Amazon-Rezension zeigt: „A book that no man should ever read.“

Bibliografische Angaben

Verlag: Eichborn
ISBN: 978-3-8479-0064-1
Originaltitel: Autopsie d’une femme plate
Erstveröffentlichung: 2017
Deutsche Erstveröffentlichung: 2020
Übersetzung: Christiane Landgrebe

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