Mohammed Hanif – A case of exploding mangoes

von Bettina Schnerr
3 Minuten Lesezeit
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Ali Shigri, Pilot der Pakistan Air Force und „Silent Drill Commander of the Fury Squadron“, kommt aus einem anerkannten und hoch dekorierten Elternhaus. Sein Vater ist ein bekannter Colonel bei der pakistanischen Armee mit gutem Ruf. Bis der Vater eines Tages tot aufgefunden wird, erhängt mit einem Bettlaken. Offiziell gilt sein Tod als Selbstmord. Der Sohn allerdings hat seine Zweifel an dieser Theorie. Täglich geht er weiterhin zuverlässig seinen Pflichten nach. Insgeheim aber sucht er eine Möglichkeit, den Tod seines Vaters zu rächen. Shigri macht General Zia ul-Haq für den Putsch veraantwortlich, der sich vor etwa 10 Jahren an die Staatsspitze geputscht hatte.

Shigris Geschichte setzt ein, als sein Zimmerkollege Obaid eines Morgens nicht mehr da ist. Shigri macht Meldung und durchläuft routiniert, aber ahnungslos, die folgenden Fragerunden. Wie es aussieht, hat Obaid ein Flugzeug gekapert und Shigris Erkennungssignal benutzt. Shigri kann es sich nicht erklären und hält die Sache für erledigt. Nicht so der Geheimdienst. Dessen Chef General Akhtar, nach General Zia der zweitwichtigste Mann im Staat, sperrt Shigri in den Kerker. Für immer, wie er meint.

Blick in ein politisch kaputtes Land

Hanif verknüpft die Geschichte von Shigri mit der von Zia, der zu diesem Zeiptunkt bereits massiv an Macht und Selbstbewusstsein eingebüßt hat. Dabei wechselt Hanif nicht nur regelmäßig zwischen diesen beiden Kernfiguren. Er springt zudem entlang der Zeitskala hin und her. Szenen vor Obaids Verschwinden wechseln sich mit Szenen danach ab und es empfiehlt sich, am Buch dranzubleiben, sonst werden die Zuordnungen immer schwieriger. Die Sprünge rücken andererseits aber immer mehr Personen in klareres Licht. In Pakistan verfolgen viele Würdenträger innerhalb der Militärdiktatur eigene Ziele. In einem Land, in dem man sich die Macht mühelos heranputschen konnte, ist der effiziente Ausbau der eigenen Macht nur eine Frage der eigenen Skrupellosigkeit und Rafinesse.

General Akhtar gehört zu den Männern, die noch weiter hinauf wollen: Vom zweitwichtigsten Mann zum wichtigsten. Im Weg steht nur einer und den kennt er dank seiner intensiven Abhörtätigkeiten bestens. Aus Zia ist in den Jahren seiner Regierungstätigkeit ein unsicherer Mann geworden, von seiner Frau vor die Tür gesetzt, sich in Paranoia suhlend und überall Mörder sehend. Ihn plagt Wurmbefall und auf Grund seiner Perspektivlosigkeit spielt er mit seinem Koran Weisheiten-Lotto. Als er eines Tages eine in seinen Augen schlechte Prognose erhält, setzt er seinen Sicherheitscode verängstigt auf die höchste Stufe.

Helfen wird es nicht viel. Das Buch beginnt und endet mit dem 1988 tatsächlich geschehenen Flugzeugabsturz, bei dem Zia, der amerikanische Botschafter sowie ein großer Teil der Regierungsmitglieder ums Leben kamen. Was tatsächlich geschehen war, ließ sich nie eindeutig ermitteln. Nur Theorien gab es selbstverständlich viele. Von den Verdächtigen, die seinerzeit gehandelt wurden (darunter CIA, Mossad, KGB oder Indiens Geheimdienst), ist im Buch wenig zu finden. Bei Hanif reichen die Pakistani völlig aus, die Zia an den Kragen wollen. Hanif bringt in seinem Buch eine ganze Handvoll davon unter und schafft es, am Ende alles konsequent und süffisant zusammen zu führen. Obgleich das Springen zwischen Zeiten und Erzählern manchmal kompliziert wirkt, hält dieser Vortrieb zur Verkettung aller Auslöser das Buch am Laufen.

Die Absurditäten einer Diktatur

Mohammed Hanif - A case of exploding mangoes

Das Buch folgt den Grausamkeiten einer Diktatur, nimmt den Leser mit in die Folterkammern oder thematisiert die absurde Verurteilung einer blinden Frau. Dennoch kann das Buch ohne Zwangspausen gelesen werden. Möglich macht das die satirische Perspektive, mit der Hanif an seine Handlung herangeht. Zia gerät zur Witzfigur, die andere Regierungsgrößen treffen darf, ohne sich mit ihnen staatsmännisch austauschen zu können. In der Militärakademie reichen die Männer Joints herum und Akhtar sucht verbissen und eifersüchtig seine Chance. Die diplomatischen Parties des amerikanischen Botschafters werden als sinnfreie und von den Gästen missverstandene Karnevalsgesellschaften dargestellt, die Panzervorführung der US-Amerikaner landet nicht einen Treffer ins Schwarze.

Die explodierenden Mangos waren nur eine der Möglichkeiten, die Zia das Leben gekostet haben könnten. Es lohnt sich nachzulesen, mit was die Mangos bei diesem Flugzeugabsturz in Konkurrenz standen. Bei Hanif stecken mehr potenzielle Zia-Mörder im Buch als nur ein verbitterter Pilot. So sehr man an fremde Geheimdienste oder Staatsvisionen glauben mag, zeigt das Buch durch seine kuriosen Ansätze aber auch, welche merkwürdigen Kleinigkeiten einem mächtigen Staatsmann den Tag versauern können. Vielleicht war am Ende auch nur eine Krähe schuld?

Bibliografische Angaben

Verlag: Knopf
ISBN: 978-0-3072-6807-5
Erstveröffentlichung: 2008

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