Petra Ivanov – Tatverdacht

von Bettina Schnerr
3 Minuten Lesezeit
Petra Ivanov - Tatverdacht

Petra Ivanov - TatverdachtEs ist die Nacht des 3. Oktober. Im Swisscoy-Camp Casablanca im Kosovo herrscht Ruhe. Nur aus dem Wohncontainer des Soldaten Fabian Zaugg ist unterdrücktes Weinen zu hören. Wenige Tage später behauptet eine lokale Angestellte, Zaugg habe sie vergewaltigt. Der Soldat streitet die Tat ab, doch die Spuren zeichnen ein anderes Bild. Was geschah wirklich im Camp Casablanca? Nicht einmal Zauggs Verteidiger Pal Palushi weiß es. Deshalb soll Ex-Polizistin Jasmin Meyer Licht in die Angelegenheit bringen.

Rezension

Petra Ivanov hat etwas für Verquickungen und Verstrickungen übrig: Nachdem sie Bruno Cavalli und Regina Flint in Zürich seit 2005 auf Mörderjagd schickt, hat Cavallis Sohn Chris inzwischen eine Hauptrolle in ihrer vierteiligen Jugendbuchserie bekommen und Ivanov und Autorenkollegin Mitra Devi helfen sich gegenseitig mit ihren Serienfiguren Flint und Nora Tabani aus. Seit 2011 ist eine neue Spur aufgetaucht: Aus Band 5 der Flint/Cavalli-Reihe (Tiefe Narben) ist ein Spinoff entstanden. Darin ermitteln Jasmin Meyer, die ihren Dienst bei der Polizei quittiert hat, und Anwalt Pal Palushi. Palushi übernimmt die Verteidigung für einen Swisscoy-Soldaten, der während seines Einsatzes in Kosovo eine ansässige Mitarbeiterin des Camps vergewaltigt haben soll. Palushi ist der einzige albanische Anwalt in der Schweiz und die Schwester des Angeklagte verspricht sich von der kulturellen Verbindung eine entscheidende Hilfe bei der Aufklärung.

Die größte Umstellung erlebt Jasmin Meyer: Bei ihrer ehemaligen Arbeit war es wichtig, schlicht alles und damit die Wahrheit herauszufinden. Als Mitarbeiterin der Verteidigung geht die Strategie für sie nicht so einfach auf. Denn Palushi würde sein Ziel zum Beispiel mit einer Verfahrenseinstellung erreichen, während sie als Ex-Polizistin die gesamte Wahrheit wissen will. Ihr fehlen ohne Polizeiapparat zudem zahlreiche Mittel, um an Informationen zu kommen. Trotzdem nimmt sie Aufgabe wahr, denn einerseits gefällt ihr Palushi verdammt gut und andererseits muss sie einen Weg zurück in ein geregeltes Leben finden: Meyer wurde zum Opfer eines Serientäters, was tiefe Spuren bei ihr hinterlassen hat.

Ich schätze Ivanovs Figuren und die Ideen zu den Fällen. Doch eigentlich könnten die Bücher ein paar Dutzend Seiten kürzer sein und wären immer noch spannend. Sie erzählt immer viel vom Drumherum und das bremst mich manchmal richtiggehend aus. Ich weiss unglaublich viel über Jasmins Schicksal aus „Tiefe Narben“; freilich kenne ich nur ihren Blickwinkel, aber den dafür so ausführlich, dass ich das Interesse an diesem Buch verloren habe. Eine gezielte Auslösung von Kopfkino wäre mir lieber gewesen. Vielleicht liegt es daran, dass Ivanov Journalistin ist und präzise recherchiert, bevor sie überhaupt mit dem Schreiben anfängt. Diese Informationen sollen dann offensichtlich alle verwendet werden: „Das Einfamilienhaus der Familie Zaugg lag am südlichen Rand des 11000 Einwohner zählenden Münsigen.“ Über so viel Präzision stolpere ich in einem belletristischen Werk.

Für mich persönlich erklärt sie auch zu viele Empfindungen und Handlungen ihrer Personen, als müsste sie ihre Bilder mit denen der Leser in Deckung bringen und manchmal schildert sie Details, die sie sich für ihre Charaktere vorstellen kann, die aber überflüssig sind. Jasmin stellt die Unterschiede zwischen Zaugg und ihren Brüdern zum Beispiel treffend in fünf Zeilen vor: Lange Haare, Tattoos, Marihuana und leere Bierdosen im Jungenzimmer. Dann kommen vier überflüssige dazu, zum Einen, weil das ergänzende Beispiel für meine Begriffe schwächer ist als das erste (Pornohefte dürften deutlich häufiger anzutreffen sein als Marihuana), zum Anderen, weil die Beschreibung einfach mal für sich hätte stehen können (doch es werden erneut Gedanken dazu serviert).

Trotzdem: Der Stil bremst mich zwar aus und ich muss mir für einen Ivanov Lesezeit mit Pausen für knackige Krimis zwischendurch einplanen, aber auf Dauer weglegen will ich sie auch nicht (Ausnahme s.o.). Dafür gefallen mir die Figuren und die kriminellen Einfälle dann doch ganz gut.

Bibliografische Angaben

Verlag: Unionsverlag
ISBN: 978-3-293-20605-2
Erstveröffentlichung: 2011

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