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Roger Aeschbacher – Kommt Schnee

Roger Aeschbacher – Kommt Schnee

Roger Aeschbacher - Kommt SchneeAmoklauf am Bahnhof Basel SBB. Mit einem Samuraischwert wird ein Mann getötet. Der Täter verschanzt sich mit einer Geisel im Bahnhofsbistro. Kommissar Baumer ist sofort am Tatort und versucht, die gefährliche Situation zu deeskalieren. Zwar kann der Amoklauf gestoppt werden, aber es gibt einen weiteren Toten. Baumer glaubt nicht an einen willkürlichen Gewaltausbruch mit zufälligen Opfern. Gegen alle Widerstände macht er sich auf die Suche nach der Wahrheit hinter den Bistromorden. Hilfe bekommt er von Wachtmeister Heinzmann, Gerichtmediziner Reggazoni und Zeitungsreporter Danner – ein außergewöhnliches Team.

Rezension

Andreas Baumer, seines Zeichens Kommissar der Basler Polizei, bläst viel Trübsal … bis der Alarm kommt, dass ein Samuraischwert schwingender Verrückter sich mit einer Geisel in einem Bistro verschanzt hat. Vor Ort lässt Baumer sämtliche Vorsicht sausen und betritt das Bistro, um mit dem Geiselnehmer zu sprechen. Wirklich gut geht die Aktion leider nicht aus und Baumer gerät ins Fadenkreuz des größtes Ekels des gesamten Basler Polizeiapparats, dem Chef der Kriminalpolizei Windler. Der hört gar nicht gerne, dass Baumer vom Ablauf der Geiselnahme irritiert ist und Ungereimtheiten ausgemacht haben will. Auch die Presse in Gestalt von Herrn Danner findet die Geiselnahme seltsam und bleibt Baumer an den Fersen.

Der erste Fall um Andreas Baumer bietet einen spannenden Plot: Eine Kleinigkeit passt nicht recht ins Bild und löst Ermittlungen aus – dennoch schwierig zu machen, denn Windler will die Akte schließen, zumal er die Presse hinter sich sieht und meint, weitere Nachforschungen würden negatives Presseecho auslösen. Baumer und Wachtmeister Heinzmann bleiben hartnäckig und lassen sich sogar von Danner helfen, um zu verwertbaren Ergebnissen zu kommen. Interessante Details liefert zudem der Gerichtsmediziner Reggazoni, der von Baumer und Heinzmann ebenfalls für die Ermittlungen eingespannt wird. Das Quartett wird gezwungenermaßen recht kreativ, um das irritierende Bild von der Geiselnahme aufzulösen.

Aus dem Angebot Schweizer Ermittler ragt Baumer mit dem ersten Band jedoch nicht heraus, denn Baumer geriet mir zu plakativ. Er suhlt sich in einem mindestens einem Jahr alten Liebeskummer, ist wortkarg und da er ansonsten wohl recht attraktiv ist, mussten so große Füße her, dass sich im Buch regelmäßig drüber lustig gemacht werden kann. Mir ist Baumer zu sehr nach dem Trend gestrickt, demzufolge Ermittler ein verkrachtes Privatleben haben und permanent als Angriffsfläche über ihre Arbeit, die persönlichen Macken oder Ähnliches herhalten müssen.

Stilistisch geht Aeschbacher neue Wege: Viele Passagen werden durch einen Kleinstabsatz voneinander getrennt, der meist nur ein Wort enthält und wie eine Brücke funktionieren soll. Manche davon gefielen mir richtig gut, weil sie die Passagen deutlicher zusammenfassen als die harmlos klingende, ausformulierte Version: Aus einem netten „… versuchte Baumer sie zu beruhigen“ wird „abzuwimmeln“.Dafür aber vergleicht mir Aeschbacher zu viel. Baumer funktioniert wie ein Automat, Augen fliegen wie der Reisigbesen eines munteren Straßenwischers und Regenmäntel glänzen wie der Lippenstift von Bardame Irma. Nachbar Heberlein läuft mal wie eine Marionette, mal wie ein exerzierender Soldat, mal wie von einer unsichtbaren Gummischnur gezogen (und das innerhalb von nur zwei Seiten). Ich mag Vergleiche grundsätzlich schon, aber hier stapeln sie sich. Manchmal folgen sie auf eindeutige Gesten, die weiteren Text eigentlich überflüssig machen. Wenn ein Chef seine Leute mit einem Handwisch zur Tür komplimentiert, ist das eine mehr als deutliche Ansage zu dessen Charakter. Der Handwisch funktioniert bestens ohne den Vergleich der Mitarbeiter mit lästigen Fliegen.

Schweizer Eigenheiten findet man eine ganze Menge: Basel wird von einer Clique hochnäsiger Reicher regiert, die Karrieren nach Gutdünken machen und zerstören, die „Dreckszürcher“ können es einem Basler auch nie recht machen und alle, die jenseits des Röstigrabens aufgewachsen sind, haben gleich ganz verloren in dieser Stadt. Basel kommt extrem schlecht weg. Glaubt man dem Buch, tickt diese Stadt mit eigenen Regeln als kleine, elitäre Insel.

Im zweiten Band könnte es an diversen Stellen anders laufen, Anknüpfungspunkte hat Aeschbacher zu diesem Zweck ganz gut verteilt. Das in diesem Buch aufgestellte Team aus Baumer, Danner und Heinzmann sowie dem Gerichtsmediziner Reggazoni wird jedenfalls erhalten bleiben.

Bibliografische Angaben

Verlag: Prolibris
ISBN: 978-3-935-26371-9
Erstveröffentlichung: 2010

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