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Coole Büchertage mit Finnland: Über das Gastland der Buchmesse 2014

Coole Büchertage mit Finnland: Über das Gastland der Buchmesse 2014

Wer aufgepasst hat, bekam bereits im März einen coolen Vorgeschmack auf das, was nun im Herbst folgen wird: Quer durch alle Social Media-Kanäle machte eine Aktion der Touristikseite VisitFinland auf das Gastland der Buchmesse aufmerksam. Tausende ließen sich ihren Namen ins Finnische „übersetzen“. Aus mir würde, so das Übersetzungstool, zumindest namentlich auch eine ganz anständige Finnin werden: Taru Kallio (macht sich gut, nicht wahr?).

Namensgenerator von visitfinland.comDie Vorbereitungen für die Buchmesse waren teils anstrengend und unberechenbar, wie Iris Schwank, die Leiterin vom Finnish Literature Exchange, in einem Interview der FAZ erzählte. Im Gegenzug wiederum erzielte die Organisation bei den Buchtiteln mehr Erfolg als erhofft: 100 Titel sollten in diesem Messejahr auf den deutschen Markt kommen, im Juni ging es bereits auf 130 Titel zu. Etwa siebzig Prozent der Übersetzungen wurden dabei von der Finnish Literature Exchange gefördert. Profitiert habe man sicher auch davon, dass die finnische Künstlerin Tove Jansson just in diesem Jahr den hundertsten Geburtstag feierte.

Den Auftritt Finnlands im deutschsprachigen Bereich koordiniert Fili, die eine auf einer modernen, klar strukturierten Website zahlreichen Angebote rund um finnische Literatur listen. Einer der wichtigsten Links dürfte der Hinweis auf Books from Finland sein, einer Literaturzeitschrift, die bereits seit 1967 über Literatur aus Finnland informiert.

Die Frankfurter Messe hat ein paar interessante Zahlen auf Lager. Denn Finnland hat bei der Zahl veröffentlichter Bücher pro Einwohner einen der Spitzenplätze in Europa: Bei 5,5 Millionen Menschen bringt man es auf knapp 4.000 Neuerscheinungen im Jahr. Auch, was die Autorenauswahl angeht, könnte Finnland in Europa überdurchschnittlich sein. Denn die meisten Neuerscheinungen stammen von einheimischen Autoren; nur rund 17 Prozent der Titel sind Übersetzungen aus anderen Sprachen.

Der finnische Krimi ist sehr demokratisch

Behauptet jedenfalls Paula Arvas, Expertin für Krimiliteratur an der Universität Helsinki. Während Schwank es nicht so ganz begeistert, dass die internationalen Verleger so stark auf nordische Krimis setzen, verortet sie bei den Finnen noch den Vorteil, dass das Land etwas exotischer sei als die Schweden. Arvas‘ Zahlen sprechen jedenfalls auch für finnische Krimiautoren von einem Boom. Innerhalb von rund 20 Jahren hat sich die Zahl der Neuerscheinungen von etwa 20 auf rund 90 pro Jahr erhöht. Das Etikett Schwedenkrimi solle man für Finnland allerdings nicht aufkleben, so Arvas: Dort gelte viel mehr „sachlicher Realismus und durchgängige Bodenständigkeit“.

Von den zahlreichen Autoren haben es bis dato nur der Romanschriftsteller Arto Paasilinna sowie die Krimiautorin Leena Lehtolainen ins Bleisatz-Regal geschafft, dabei gibt es sicher mehr zu entdecken. Im noch jungen finnischen Krimigenre empfiehlt Arvas unter anderem Matti Rönkä und Pekka Hiltunen ans Herz. Als Nachwuchstalent gelte Kati Hiekkapelto und in ihrer Auswahlliste von Neuerscheinungen erscheinen zusätzlich noch Taavi Soininvaara, Antti Tuomainen und Ilkka Remes.

Sechs der von Arvas genannten Titel stelle ich hier kurz vor.

Anhand der Titelbilder bzw. der Genreangaben rangieren die meisten Titel in der Sparte „Thriller mit viel Blut garniert“ und damit gibt es dann allerdings wenig Unterschiede zu anderen Krimis aus dem hohen Norden, denn gefühlt trifft das mittlerweile auf die Mehrzahl skandinavischer Krimis zu.

Den Anfang macht Kati Hiekkapelto mit „Kolibri“, erschienen im Heyne Verlag. Kriminalkommissarin Anna Fekete bekommt es bereits an ihrer ersten Arbeitsstelle mit mehrfachem Mord zu tun und bei allen Opfern fanden sich Amulette. Das riecht nach Serienkiller und Fallen.

Ähnlich brutal wird es bei Pekka Hiltunens „Das schwarze Rauschen“ aus dem Berlin Verlag: Videos im Internet zeigen, wie Menschen brutal zusammen geschlagen werden, bis eines Tages eines der Opfer davon tot aufgefunden wird. Nicht nur die Polizei ermittelt im Fall dieses öffentlichen Mordes, sondern auch die Grafikerin Lia gemeinsam mit einem Spezialistenteam namens Studio. Mit diesem Buch setzt Hiltunen die Ermittlungen von Lia fort, die 2013 erstmals mit „Die Frau ohne Gesicht“ auf Deutsch erschienen waren.

Die bekannte Leena Letholainen ist im Messejahr mit insgesamt drei neuen Titeln bzw. Neuausgaben vom Haus Rowohlt vertreten. Bei Kindler sind es die Titel „Das Nest des Teufels“ mit Hilja Ilveskero und „Wer ohne Schande ist“ mit Maria Kallio. Bei rororo ist das „Der Löwe der Gerechtigkeit“. Mit letzterem geht ebenfalls die Serie um die Personenschützerin Hilja weiter. Hilja will bei ihrem Freund, dem untergetauchten Europol-Agenten David, ein paar Tage in Italien verbringen. Doch der ist spurlos verschwunden und statt dessen findet sie in seiner Wohnung einen erschossenen Mafioso. Die Ermittlungen werden zu einer unangenehmen Auseinandersetzung mit der Vergangenheit. Damit ist dieser Titel offensichtlich der erste unter den vorgestellten sechs Titeln, der erfreulicherweise aus dem blutrünstigen Muster der Skandinavienkrimis mit grausam zugerichteten Leichen und durchgeknallten Serienkillern abweicht. Auch der zweite Hilja-Krimi verspricht Spannung ohne diese Klischees.

Matti Rönkä, der mit dem Sammelband „Finnische Freunde“ vom Verlag Bastei Lübbe vertreten ist, ist ebenfalls aus anderem Holz geschnitzt. Drei, wenn auch etwas ältere, Krimis mit Viktor Kärppä sind dabei: Entfernte Verwandte, Russische Freunde sowie Zeit des Verrats. Kärppä war einst bei der Roten Armee und arbeitet mittlerweile als normaler Bauunternehmer. Doch hin und wieder begegnen ihm Spuren aus seiner Vergangenheit, die es zu bereinigen gilt.

Taavi Soininvaara spielt wieder in der Liga „blutrote Thriller“ mit. „Tot“ folgt der Titelgestaltung aller anderen Leo Kara-Bücher und präsentiert Rasierklinge und Blut. In „Das andere Tier“, Aufbau Verlag, dreht sich alles um Ratamo. Der hat eine Titanhüfte, ist psychisch labil, tritt aber mit Schmerzmitteln trotzdem seinen Dienst an. Eine Degradierung ist die Folge, aber ermitteln wird er dennoch, inmitten von kriminellen Geschäften mit illegalen Einwanderern und Waffengeschäften.

Bei Ullstein/List ist „Todesschlaf“ von Antti Tuomainen erschienen, der sich um das Verschwinden von Sonja Merivaara dreht. Die Polizei tappt seit zwanzig Jahren im Dunkeln, der Sohn Aleksi allerdings will endlich Klarheit. Eine Spur führt zu einem Millionär mit einer gefährlichen Tochter. Aleksi begreift, dass sie ihn nur benutzt und für eine besonders grausame Aufgabe braucht. Auch hier wieder ein Strickmuster, das derzeit von zu vielen Autoren, gerade aus Nordeuropa, bedient wird.

Vielleicht kein schlechter Rat, sich die Klassiker von Matti Rönkä anzuschauen, sofern man die noch nicht kennt? Was mir an „sachlichem Realismus und durchgängiger Bodenständigkeit“ versprochen wurde, finde ich dort möglicherweise am ehesten.


Fotos: Holger Menzel; visitfinland.com

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