Als 1579 ein portugiesisches Segelschiff im japanischen Hafen von Kinchotsu anlegt, staunen die Anwesenden nicht schlecht: An Bord ist ein unglaublich großer Mann mit dunkler Haut. Er reist als Leibwächter der Jesuiten und kümmert sich um die Sicherheit des päpstlichen Abgesandten in Asien. Während der Reise erregt seine Anwesenheit die Aufmerksamkeit von Oda Nobunaga, nachdem eine Menschenmasse in Kyoto den ungewohnten Gast mit ihrer ungezügelten Neugier durch die Gassen gescheucht hat. Der Kriegsherr ist Neuem gegenüber immer aufgeschlossen und interessiert sich sehr für den Neuankömmling. Und so gehen die Jesuiten einen Deal mit Nobunaga ein: Der Afrikaner wechselt in die Dienste des Japaners, wenn sie dafür ihre Missionierung fortsetzen dürfen.
Craig Shreve greift die Geschichte eines Sklaven auf, der unter dem Namen Yasuke bekannt geworden ist. Erstmals begegnet bin ich Yasuke in Ninja Attack (obgleich Yasuka natürlich nicht zu den Ninja zählt,er bekommt es im Buch allerdings mit welchen am Rande zu tun) und zwischenzeitlich frischte auch Youtube meine Erinnerungen auf. So war es für mich praktisch eine logische Konsequenz, den Samurai auch per Roman kennenlernen zu wollen.
Menschenhandel und kein Ende …
„African Samurai“ erzählt die Lebensgeschichte aus der Perspektive Yasukes, und das auf zwei Zeitebenen. Yasuke berichtet, wie es ihm seit seiner Landung in Japan ergeht und in Rückblicken und Erinnerungen erzählt er, wie seine Lebensgeschichte seit der Kindheit verlaufen ist. So setzt Shreve zwei Elemente zusammen. Von Yasukes Aufenthalt in Japan zwischen 1579 und 1582 gibt es Notizen über etwa drei Jahre hinweg und die damalige Kultur bildet den Rahmen dessen, was Yasuke am Hof des Daimyo erlebt haben dürfte. Die Zeit davor gestaltet Shreve aus dem, was allgemein über den Sklavenhandel und die Schifffahrtsrouten der damaligen Zeit bekannt ist.
Mit Gewaltdarstellungen spart das Buch daher nicht. Yasuke dürfte bereits als Kind entführt und als Arbeiter und später zum Kämpfer ausgebildet worden sein. Nur so ist es aus Sicht der Historiker plausibel, dass Yasuke später als Leibwächter eingesetzt wurde. Shreve beschreibt zahlreiche entsetzliche Szenen, wie die Weißen mit den Sklaven umgingen.
Die christlichen Repräsentanten, die Jesuiten, nehmen eine keineswegs bessere Rolle in der Geschichte ein. Yasuke notiert in Gedanken, dass die Jesuiten den vermeintlich heidnischen Bräuchen der Japaner sehr viel wohlwollender gegenüberstehen als denen der Afrikaner. Selbst in der Abneigung gegenüber anderen gibt es eine Mehrklassengesellschaft. Die Sklavenjahre prägen den Jungen ungeheuer und es ist schon eher erstaunlich zu sehen, dass bei Shreve am Ende ein vergleichsweise umgänglicher und intelligenter Mann in Japan umherstreift.
Auch Japan ist zu Yasukes Zeit absolut kein friedliches Land. Während der so genannten Sengoku-Zeit fanden viele Schlachten statt, um die zahlreichen japanischen Fürstentümer zu einen. Doch Yasuke erlebt sie aus einer anderen Perspektive heraus und für Oda Nobunaga, der ihn mit Wohlwollen und Respekt behandelt, würde er sich jederzeit freiwillig jedem Gegner stellen.
Licht und Schatten in einem Buch
„African Samurai“ hat mir einerseits ein ganz gutes Bild vermittelt, wie sich der Aufenthalt von Yasuke in Japan abgespielt haben könnte. Craig Shreve geht in einem Nachwort auf die wesentlichen historischen Eckpunkte ein, an die er sich gehalten hat, sowie auf jene, die er zugunsten des Erzählbogens gestrafft hat. Was er nicht erzählt: Yasuke lernt Nobunaga im Buch bereits nach kurzer Zeit kennen, während er in der Realität wohl erst etwa eineinhalb Jahren nach seiner Ankunft in Japan nach Kyoto kam.
Andererseits gingen mir etwa ab dem ersten Drittel zunehmend Unsauberkeiten auf den Geist. Fehlende Wörter im Satz, falsche Grammatik oder fehlende Buchstaben. Und dann wird auch noch Seppuku konsequent falsch geschrieben (der doppelte Konsonant ist nicht das k!). Yasuke erzählt Nobunaga außerdem, wie Hannibal seine Elefanten seinerzeit panzerte – haben die Jesuiten dem Jungen neben zahllosen Prügeln und lateinischen Sprüchen tatsächlich so viel Geschichtswissen beigebracht?
Alles in allem aber ein interessanter historischer Roman, der einen einzigartigen Helden hat. Obgleich Japan durch die Handelsbeziehungen mit anderen Ländern sicher mehr Besucher aus Afrika hatte, war Yasuke der einzige Afrikaner, der zum Samurai befördert wurde. Das Buch erweckt vor allem die japanische Gesellschaft und den Hof Nobunagas zum Leben, an dem diese Schritte überhaupt möglich waren.
Bibliografische Angaben
Verlag: Droemer
ISBN: 978-3-426-28422-3
Originaltitel: The African Samurai
Erstveröffentlichung: 2023
Deutsche Erstveröffentlichung: 2024
Übersetzung: Urban Hofstetter
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