Doris Knecht – Ja, nein, vielleicht

von Bettina Schnerr
2 Minuten Lesezeit
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„Da kann man eigentlich nichts mehr machen.“ Ein Satz vom Zahnarzt genügt, um einer Autorin die eigene Vergänglichkeit mit Krach in Erinnerung zu rufen. Ja, sie ist ein bisschen älter, die Kinder sind aus dem Haus und der Ex ein schmaler Schatten der Vergangenheit. Sie pendelt zwischen der Stadt und ihrem kleinen Häuschen auf dem Land, schreibt und fühlt sich wohl — jedenfalls bis der Zahn unrettbar verloren ist.

Just da, wo sie innerlich ein wenig wankt, trifft sie im Supermarkt zufällig Friedrich wieder. Auch er ist getrennt und plötzlich steht die Frage im Raum, ob sie die lose Liaison mit ihm nach vielen Jahren wieder aufleben lassen soll.

Mit Friedrich kommen durchaus heitere Erinnerungen wieder. Aber auch eine gewisse Nervosität, die nervt. Textet er zurück und hat er die Einladung zum Konzert ernst gemeint? Die Unruhe beschäftigt die Autorin so sehr, dass sie ihr Landhäuschen umräumt, streicht und viel mehr putzt als sonst. Schließlich könnte Friedrich zufällig vorbeikommen.

Beziehungen auf dem Prüfstand

Auch in ihrem Umfeld sind die Beziehungen in Bewegung. Die beste Freundin Therese möchte erneut heiraten und ist enorm glücklich mit ihrer Entscheidung. Die eigene Schwester wiederum ist zuhause ausgezogen, belegt die Stadtwohnung und scheint dort so schnell nicht wieder weg zu wollen. Denn ihre Ehe steckt in der Krise und man möge doch bitte nichts der Mutter erzählen. Stoff zum Nachdenken gibt es also genug.

Doch über meine Freude legt sich wie ein beiger Schleier die Tatsache, dass dieses Glück bei Frauen so oft mit einem Mann zu tun haben muss, mit romantischer Liebe. Dass sie das nicht bei sich selber finden dürfen, sondern immer in einem Gegenüber suchen, das letztlich unberechenbar bleibt.

Die Protagonistin bei Doris Knecht ist ein bisschen Doris Knecht, erkennbar an biografischen Eckpunkten (wie beruflichen Stationen oder Romanen). Im Wesentlichen aber ist sie eine ähnlich alte Frau mit einer gewissen Lebenserfahrung, die sich mit mehr und mehr Gelassenheit kluge Gedanken um ihre persönlichen Werte macht. Denn so, wie sie ihr Leben führt, stimmt es doch für sie. Sie hat einen zuverlässigen Freundeskreis und gute Nachbarn im Dorf. Braucht es da einen Partner?

Ganz selbstverständlich spürt die Autorin während der Erforschung ihrer Werte auch fragwürdige gesellschaftliche Erwartungen auf. Sie reichen von Jeans und deren „erwünschter“ Bundhöhe bis hin zur Wortwahl bei Frauen im Familienbetrieb: Frauen „helfen“ grundsätzlich mit, stellt die Autorin fest, unabhängig davon, ob sie nicht vielleicht gar qualifizierter sind. Und sollten sie trotz Mutterschaft weiterarbeiten, könne das natürlich nur an der schlechten wirtschaftlichen Situation des Betriebs liegen.

Auf die innere Stimme hören

Unausgesprochen im Raum hängt auch die Frage, was Friedrich mit in die Beziehung bringen könnte. Was gäbe es, wofür sich das Teilen der inneren Ruhe, das Aufnehmen neuer Rituale lohnen könnte? Immerhin, die frühere Liaison könnte die Angelegenheit vereinfachen. Man kennt sich ja schon ein bisschen. Aber „Ja, nein, vielleicht“ zeigt, dass auf so eine Bekanntheit nicht unbedingt Verlass ist. Beziehungen sind vielfältig und romantische Liebe ist nur eine von vielen. Letztlich geht es um das Verstehen und Zulassen, dass sich Schwerpunkte und Werte im Lauf des Lebens deutlich verschieben können.

„Wenn ich jetzt in den Spiegel schaue, sehe ich eine Frau Mitte fünfzig, mit grau melierten Haaren, gesund, stark, fit genug, schön genug, ich bin zufrieden mit ihr“.

Doris Knecht fasst das Leben mit Esprit zusammen – vor allem die Liebe. Es ist kein Loblied, aber auch kein Abgesang. Es ist eine wahrhaft klare Dokumentation ihrer Fallstricke und all der anderen Möglichkeiten, die sich mit „wir“ beschreiben lassen.

Bibliografische Angaben

Verlag: Hanser Berlin
ISBN: 978-3-446-28288-9
Erstveröffentlichung: 2025

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