Es ist schrecklich heiß und Inspektor Dieuswalwe Azémar denkt schwitzend an Schnaps. Mit einer guten Freundin quält er sich durch eine schattenfreie Ecke des Landes, die belebende Schnapsflasche längst leer. Doch er hält sein Versprechen, die Tochter der Freundin aus den Fängen eines obskuren Heilers zu reißen. Die Kleine ist in dessen Obhut deutlich kränker geworden, aber hergeben in professionelle Hände will man sie nicht. Ihre Seele gilt als versprochen und soll erst einmal teuer ausbezahlt werden. Die Lösung für Azémar ist ebenso simpel wie riskant. Schließlich war er einst Eliteschütze. Aber er ist auch der letzte aufrechte Polizist auf Haiti, der sich mit der grassierenden Korruption nicht abfinden will.
Kurz darauf steckt sein ehemaliger Mitarbeiter Inspektor Colin in der Tinte. Der Vorgesetzte ermordet, er selbst auf der Flucht, ein Verbrecherkartell im Nacken. Azémar kämpft just zu dieser Zeit mit den Emotionen, die das bevorstehende Adoptionsverfahren seiner geliebten Tochter Mireya bei ihm auslöst. Azémar hatte wegen seines Alkoholproblems einst dieser Lösung zugestimmt und nun ist es tatsächlich soweit. Der Schritt macht ihm in seiner Endgültigkeit schwer zu schaffen. Auf seiner Suche nach Hilfe für Colin bekommt er allerdings heraus, dass die kirchliche Organisation, die sich um Mireya kümmert, unbarmherzige Geschäfte macht. Und plötzlich ist nicht nur Colin in Gefahr, sondern auch die geliebte Tochter Mireya.
Literarische Anklage gegen Korruption
Da ist vordergründig die Geschichte um den Inspektor, den Ex-Kollegen, um Mireya und deren komisches Internat, um Morde und Fluchten. Eine Geschichte um den alkoholkranken Polizisten, der außer der innigen Liebe zu seiner Tochter nichts mehr im Griff hat. Doch bei Azémar ist die Wahrnehmung eine andere als nur die des augenscheinlich gescheiterten Menschen. Vor allem, wenn man sich die Wechselwirkung zwischen ihm und dem Rest der Polizei anschaut. Während er, der einstige Eliteschütze, als aufrichtiger Polizist seinen Dienst tut, verfallen alle anderen früher oder später der Korruption. Sie gieren nach Geld, Anerkennung, einem schicken Leben. Victor als Figur vervielfältigt die Süchte und spielt die offensichtliche Sucht gegen die nüchternen Süchtigen aus. Das löst eine Fragenspirale aus: Welche Werte zählen für uns? Welche Werte fallen als erstes, wenn wir vor einer Wahl stehen?
„Ich weiß, dass Sie mich verachten, Herr Inspektor“, gab die junge Frau zurück. „Wenn Sie wüssten, in welcher Armut ich aufgewachsen bin, würden Sie mich verstehen.“
„Das sagen sie alle“, antwortete der Inspektor.

Am Land Haiti lässt Victor wenig Gutes. Richtige Freundschaften sind Gold wert, aber selten. Die Menschen lassen sich mit Ängsten in Schach halten, während wohlhabende Haitianer gemeinsam mit ausländischen Geschäftspartnern das Land ausbluten. Im Wortsinne sogar in diesem Buch, denn im Zweifelsfall opfert man die Jugend, die Zukunft des Landes, an Organhändler und niemand wird sich wehren.
„Man lebt nur lang, wenn man nichts versteht und vor allem wenn man nicht versucht, etwas zu verstehen.“
Bibliografische Angaben
Verlag: Culturbooks
ISBN: 978-3-944818-70-2
Originaltitel: Saison de porcs
Erstveröffentlichung: 2009
Deutsche Erstveröffentlichung: 2013
Übersetzung: Peter Trier