Vom Mord an einem zwölfjährigen Buben zu hören, ist auch für erfahrene Ermittler eine harte Prüfung. Der tote Junge war gerade mit blutigem Unterleib von zwei jungen Leute nahe beim Countryclub gefunden worden, als die beiden eigentlich ganz alleine miteinander sein wollten. Lieutnant Tromp Kramer und Detective Sergeant Mickey Zondi müssen ran.
Die beiden Turteltäubchen aber erzählen erst einmal Märchen. Es schickt sich in den 1970ern eben nicht, nachts zu zweit im Gras zu liegen. Erst als Kramer dahinterkommt, werden die Aussagen plausibler. Gleichzeitig gibt die Mordwaffe Rätsel auf.
Eine halbe Raupe und die Ameisen
Ein bisschen weiter kommen die beiden mit Hilfe eines Ökologen, der Ameisen beobachtet und sogar die Zeit stoppt, die die Ameisen für bestimmte Wegstrecken brauchen. Die Szenen mit dem Mann gibt es nur am Anfang, aber sie gefallen mir, haben sie doch einen Hauch von Kriminalbiologie und helfen, die Bewegungen des Täters zeitlich weiter abzugrenzen. Dabei war es purer Zufall, wie sie dem Ökologen überhaupt begegnet waren.
Kramers Privatleben hingegen erfährt einen Dämpfer. Die Witwe Fourie, Mutter von vier Kindern, findet die Angelegenheit „degoutant“ und mag, wie es sonst schon geschehen war, den Fall überhaupt nicht mit ihm diskutieren. Nicht einmal als er ihr erklären will, dass es kein Sexualmord gewesen sei. Sie hält Abstand, solange er sich mit dem Fall des kleinen Boetie befasst.
Dessen Familie ist sehr gottesfürchtig und Boetie bot nie Anlass zur Sorge. Ein gewissenhafter Junge, der Stolz seiner Eltern. So jedenfalls schildern ihn die ersten Zeugen.
Ein vorwitziges Kind
Der Titel, unter dem das Buch 1975 zunächst veröffentlich wurde, verrät schon etwas mehr. Als sich Zondi die Aussagen der Hausangestellten besorgt, wendet sich das Bild.
Zondi blieb mit Mühe äußerlich ruhig; er kannte kein Kind, das so viele Erwachsene in solchem Maße gegen sich aufzubringen vermocht hätte.
Boeties striktes Beharren auf Recht und Unrecht hat ihm Feinde eingebracht. Er verfolgte die Angestellten und überwachte, ob sie jenen Regeln dauerhaft gerecht wurden, die er verinnerlicht hatte. Selbst die Polizeistation hatte den Jungen schon rausgeworfen, nachden er dort aufgetaucht war und Polizeiarbeit machen wollte. Der Vater seines Freundes Hennie beklagt sich, weil die Jungen nachts unterwegs waren und die Eltern nie wussten, wo sie sich herumtrieben.
Langsam aber sicher merkt Kramer, dass das eigentliche Mordmotiv mit just solchen Gerechtigkeitsaktionen zu tun haben könnte. Man müsste nur dahinterkommen, welche „Ungerechtigkeiten“ Boetie verfolgt hatte und welche davon bei einen ertappten Mitbürger eine sprichwörtliche Mordswut ausgelöst hatte.
Südafrikanische Prüderie
Das Buch taucht ein in jene gesellschaftlichen Zwänge, wie wir sie auch hier von früher her kennen: Was Verheiratete dürfen und Unverheiratete nicht, was hinter verschlossenen Türen passiert und worum man sich besser nicht kümmert, was totgeschwiegen und was vertuscht wird. Die Liste ist ellenlang und bietet ausreichend Ansatzpunkte für zahlreiche solcher Krimis. Also alles kein bisschen anders, nur eben in subtropischem Klima (jedenfalls wenn man den fiktiven Schauplatz Trekkersburg in die Provinz KwaZulu-Natal verlegt, die von einigen Ortskundigen auf Grund der Beschreibungen als Vorbild herausgelesen wird).
Was den Fall südafrikanisch macht, sind die Rahmenbedingungen der Apartheid: Kramer stellt zum Beispiel fest, wie selbstverständlich es sowohl ihm als auch Zondi ist, dass der weiße Bub niemals von einem Schwarzen ermordet worden wäre. Ebenso klar kümmert sich Kramer um die Weißen, die am Fall beteiligt sind, um Zondi um die Schwarzen (der Begriff Bantu, mit dem er im Buch in der 1972 üblichen Weise bezeichnet wird, gehört längst nicht mehr zur südafrikanischen Alltagssprache, denn Bantu wird mit der Apartheid konnotiert). Kramer ist der „Boss“, Zondi der Boy, der in Gesellschaft Weißer Taschen reicht, respektvoll untertänig agiert und im besten Fall still ist.
Liest man die Bücher in der Reihenfolge, in der sie spielen (nicht in der, in der sie geschrieben wurden), ist das gerade mal Fall 3. Von James McClure habe ich zum jetztigen Zeitpunkt also noch ausreichend Krimilektüre vor mir.
Bibliografische Angaben
Verlag: Unionsverlag
ISBN: 978-3-293-20765-3
Originaltitel: The Caterpillar Cop
Erstveröffentlichung: 1972
Deutsche Erstveröffentlichung: 1975
Übersetzung: Erika Ifang
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