5 Uhr 37. Ein Telefonanruf reißt Inspector Griessel aus dem Schlaf. Eine junge Amerikanerin ist ermordet aufgefunden worden. Doch wo ist ihre Freundin Rachel, mit der sie am Tag zuvor aus Namibia gekommen ist? Inspector Griessel erfährt, dass Rachel durch die Stadt gejagt wird. Zur selben Zeit findet ein Hausmädchen einen Musikproduzenten tot in seinem Haus. In all dem Schlamassel ruft seine Frau Griessel an und bittet um ein Treffen: Sie will ihm endlich sagen, was aus ihrer Ehe werden soll.
Rezension
In Kapstadt geht der Tag für Kommissar Griessel 5 Uhr 37 mit einer Mordermittlung los. Eine Amerikanerin liegt ermordet auf einem Friedhof und ermordete Ausländer lösen immer mehr Ärger aus. Kurz darauf kommt die zweite Meldung, wieder ein Mord, diesmal ist ein Musikproduzent. In den folgenden dreizehn Stunden, die ihm der Buchtitel Zeit gibt, wird Griessel pausenlos zwischen diesen beiden Fällen wechseln, ermittelnd und beratend. Eine Pause kann er sich nicht leisten, denn seine Aufgabe ist ein Rennen gegen die Zeit: Die Freundin der toten Amerikanerin wird von Unbekannten durch Kapstadt gehetzt. Griessel und seine Kollegen müssen sie vor deren Jägern finden, wenn sie den Mord aufklären wollen.
Meyers Thriller verbindet viele spannende Elemente. Der Countdown, der für die Suche nach der Amerikanerin Rachel gilt, sorgt für den großen Sog, der den Leser durch das Buch zieht: Schafft die Polizei es, Rachel rechtzeitig zu finden? Schafft Rachel es, ihren Häschern zu entkommen? Meyer wechselt immer wieder die Perspektive, geht mal mit Griessel Fragen stellen, mal mit Rachel ins Versteck hinter einen Holzstapel, grübelt mit den Verbrechern über deren Strategie. Man kann gar nicht anders als mitfiebern, hoffen und bangen. Die entsprechenden Abschnitte sind relativ kurz. Das entspricht der Rasanz der Handlung und nicht zuletzt auch der Lektüre, denn nach jedem Abschnitt möchte man dringend erfahren, wie und wann dieser oder jener Erzählstrang weitergeführt wird.
Die Vermutung liegt nahe, dass die beiden Mordfälle zusammen hängen. Das ist schließlich oft so, wenn mehr als ein Toter im Buch auftaucht. Aber wer versucht, aus den Hinweisen das Puzzle korrekt zusammen zu setzen, wird ebenso lange rätseln wie die Ermittler. Am Ende könnte nur Rachel die entscheidenden Details erzählen. Doch die versteckt sich nicht nur vor den Kriminellen, sondern auch vor der Polizei. Sie hat gehört, dass die Polizei korrupt ist und traut sich nicht, in einer Wache um Hilfe zu bitten. Wie recht sie hat, zeigt Meyer auch: Die jungen Häscher werden von einem Geschäftsmann mit guten Beziehungen angewiesen und ein Kontaktmann bei der Polizei unterstützt sie, so gut er kann.
Die Ermittlungen laufen schwierig, nicht nur aus fachlicher Sicht. Die Apartheid ist offiziell lange vorbei, aber Vorurteile und Diskriminierungen sind weiter an der Tagesordnung. Fransmann Dekker sieht sich oft wegen seiner Hautfarbe diskriminiert, versteht seine Position gar nur als „Quoten-Hotnot, um den vorgeschriebenen Prozentsatz vollzumachen“. Inspekteur Mbali Kaleni wird unterschätzt, weil sie eine Frau ist. Dabei beweist sie Scharfsinn und die Bissigkeit, über die sich die Kollegen beschweren, ist eigentlich von ihnen mit blöden Sprüchen hausgemacht. Griessel interessiert sich herzlich wenig für Hautfarben und bemüht sich redlich, die Wogen zu glätten und den Kollegen ihre Aufgaben dem Knowhow entsprechend zuzuteilen. Es mag nach einer Fülle von Klischees klingen, es dürfte aber immer noch traurige Realität sein, wenn man sich mit den entsprechenden Schlagwörtern informiert.
Für Griessel ist der Tag nicht nur hektisch, sondern auch aus persönlicher Hinsicht anstrengend. Er muss sich immer wieder daran erinnern, dass er nur als Mentor zugeteilt ist – und das fällt ihm nicht leicht, denn die Suche nach Rachel möchte er so gut wie nur irgend möglich erledigen. Schließlich hat er selbst eine Tochter in einem ähnlichen Alter. Außerdem sucht seine Frau ausgerechnet an jenem Tag das Gespräch mit ihm. Vor Monaten hatte sie eine Trennung auf Zeit durchgesetzt, um ihm Gelegenheit zum Alkoholentzug zu geben. Der geplante Termin am Abend wird zu einem weiteren Unsicherheitsfaktor. Was wird sie nach den all den Wochen sagen? Was wird sie wollen – und vor allem, was will Griessel selbst?
Das Buch ist schwer aus der Hand zu legen. Es gehört zu den Titeln, die die versprochende Spannung auf voller Länge aufrecht erhalten. Es ist einer der Thriller, die an keiner Stelle ins Unglaubwürdige abdriften, mit Superhelden oder ‚magischen‘ Fähigkeiten. Das gilt in gleichem Maß für das kriminelle Geschäft, das hinter allem steckt. Sollte jemand von Meyer dieses Buch als erstes in die Finger bekommen: Damit empfiehlt er sich als ausgezeichneter Erzähler.
Bibliografische Angaben
Verlag: Aufbau
ISBN: 978-3-35200-779-8
Originaltitel: 13 Uur
Erstveröffentlichung: 2009
Deutsche Erstveröffentlichung: 2010
Übersetzung: Stefanie Schäfer
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