Das Herumstöbern im Antiquariat mag ich sehr. Fast immer finde ich etwas und üblicherweise sind es Dinge, die ich gar nicht gesucht habe. So wie dieses Buch, das allein wegen des Covers schon gar nicht anders zu mir finden konnte: „Wer nicht sucht, der findet“. Offiziell heißt es Serendipity, was soviel heißt wie „glücklicher Zufall“ und im Englischen genau dieses Fundglück beschreibt.
Das ist zugleich ein Begriff, der meine vielen Jahre, gebeugt über wild unsortierte Bücherkisten, wahrscheinlich am besten beschreibt. Geld für die Neupreise hatte ich lange nicht, sodass meine Lektüre weitestgehend davon bestimmt wurde, was meine Aufmerksamkeit in der Bibliothek oder dem Antiquariat erregte. Dass es tatsächlich einen Begriff gibt, der mein langjährig ausgeübtes Leseverhalten beschreiben würde, wusste ich nicht — und finde ihn passenderweise durch ein Buch.
Damit ist die Geschichte von Serendipity aber noch nicht zu Ende. Als ich das Buch näher erforschte, stellte ich fest, dass ich die erste war, die es in die Hand nahm. Das Lesebändchen lag noch original zwischen den Seiten 107 und 126 eingefaltet. Ich suchte den Remittenden-Stempel, aber den gab es nicht. Warum, verriet mir das Vorsatzblatt. Der Prägestempel einer Anwaltskanzlei empfiehlt den Titel „Mit den besten Wünschen“. Doch der Empfänger konnte mit dem Buch offenbar nichts anfangen, sodass es umgehend zum Stöbern freigegeben wurde.
Ich frage mich wirklich, warum jemand mit diesem Buch fremdelt, sicher bewusst von der Kanzlei ausgewählt. Ein Buch übrigens, bei dem ich auch nur durch Suchen verstanden habe, dass das, was auf dem Cover steht, gar nicht der Buchtitel ist. Der steht auf dem Buchrücken. Wer kommt auf solche Ideen? Fällt auch das unter Serendipitiy?
Es geht im Buch um nichts weniger als 77 zufällige Entdeckungen, die Geschichte schrieben. Es erzählt von Spaghetti-Eis und Post-it (natürlich!!), von Kaugummi und der Schreibmaschinentastatur. Auch das Großraumbüro gehört dazu — zu dessen Entschuldigung man sagen muss, dass die heutige Umsetzung mit der ursprünglichen Idee nicht viel zu tun hat. Weniger Entschuldigung findet man für das Deo, das 1919 seinen Siegeszug mit dem Shaming von Schweiß bei Frauen antrat (dass Männer auch Schweiß entwickeln, wurde beim Werbefeldzug großzügig übergangen, mit Nachwirkung bis heute).
Den Rest der Buchvorstellung übergehe ich kurzerhand, damit jeder auf seine eigene Entdeckungsreise gehen kann. Viele Entdeckungen sind mit Illustrationen von Johanna Benz versehen und man darf sich für die Entdeckung so lange Zeit lassen, wie man möchte. Man darf im Buch springen, sich wundern und überraschen lassen. Handlich ist es obendrein – müsste also in jede Tasche passen.

Sollte ich einmal Schwierigkeiten bekommen, so dachte ich, möchte ich eventull von der besagten Kanzlei vertreten werden. Sie verschenkt Bücher an ihre Klientel. Pluspunkt. Und ich bin durch einen „glücklichen Zufall“ auf sie gestoßen. Seltsam aber ist: Die Kanzlei sitzt im österreichischen Kärnten. Wie viel Zufälle braucht es, dass jemand am Bodensee auf ein Buch stößt, das von einem Schweizer Verlag stammt und 500 Kilometer entfernt an Kundinnen und Kunden verschenkt wurde?
Bibliografische Angaben
Verlag: Kein & Aber
ISBN: 978-3-0369-5787-6
Deutsche Erstveröffentlichung: 2018
