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Quentin Mouron – Notre-Dame-de-la-Merci

Quentin Mouron – Notre-Dame-de-la-Merci

Quentin Mouron - Notre-Dame-de-la-Merci; Rezension und Buchvorstellung; bilgerverlag

Irgendwo in Canada liegt dieses Kaff, Name Notre-Dame-de-la-Merci. Der Name, in dem so adrett die Gnade auftaucht, mag auf manche Einwohner wie blanker Hohn wirken. Hier ist nicht viel los, die Gegend ist unwirtlich. Ausgerechnet im eisigen Winter kann schon mal die Stromversorgung zusammenbrechen und in den eher ärmlichen Hütten wird es kalt.

Notre-Dame-de-la-Merci ist eine vollkommen willkürliche Wahl. Ebenso Quebec. Der neue Kontinent. Sie müssen nur einmal die Fensterläden aufmachen und schauen, ob Ihnen gegenüber nicht zufällig das Gleiche geschieht.

In jenem Notre-Dame-de-la-Merci leben Odette, Jean und Daniel. Odette und ihr verstorbener Mann waren mit Drogenhandel zu bescheidenem Reichtum gekommen und wählten das Dorf -warum auch immer- als Alterssitz. Heute macht Odette allein weiter, doch ohne die Reputation und das Standing, das ihr Mann hatte. Hauptsächlich wohl nur, weil sie eben kein Mann ist. Nicht die hellste Kerze auf der Torte ist Daniel. Eine Anklage jagt ihm so viel Angst ein, dass er sich bei Odette als Drogenkurier anheuern lässt. Jeden Tag zerrieben zwischen heimlicher Verehrung für Odette und der Angst vor den Reaktionen des Dorfes und seiner Mutter über sein Tun. Die Mutter seiner Kinder wiederum hat längst das Weite gesucht.

Ein krummes Dreieck

Odette hat allerdings für Daniel nichts übrig, sie schwärmt heimlich für Jean, obwohl sie eines genau weiß: Das bringt nichts. Jean ist der lokale „Gangster“. Eigentlich ein unsicherer Wicht, der nur deshalb in seine Rolle schlüpfen konnte, weil ihm nie jemand Grenzen setzte. Wer sollte das in diesem Kaff auch tun?

Diese Dreiecksgeschichte wackelt an allen Enden und ist total labil. Der Erzähler, der alle drei persönlich kennt und sich immer wieder einmischt, weist regelmäßig darauf hin, dass alles kippen wird. Das geschieht so illusionslos, dass diese Tristesse beim Lesen spürbar wird. Da gibt’s keine Träume oder Ziele, die zerbrechen. Es gibt da ja auch gar nichts, was zerbrechen könnte. Außer man selbst.

Sie hat nie zu Daniel gesagt, er solle nach vorne schauen. … Sie sind nicht glücklich, wo sie sind, aber sie wissen, dass sie nie woanders sein werden. Deshalb ergeben sie sich in ihr Schicksal.

Notre-Dame-de-la-Merci, das ist Tristesse pur. So trist, dass manche noch nicht einmal den Wunsch haben, zu verschwinden. Als würde das Kaff Watte in den Kopf packen.

Zugegeben, nach so einem Buch braucht man etwas anderes. Das Buch ist kurz, 100 Seiten, und trotzdem: Ich wollte es am Stück lesen, konnte es aber nicht. Dabei ist der Stil, mit dem die Einsamkeit eingefangen wird, so unglaublich passend. Mouron hat genau den Tonfall, den es für dieses Kaff braucht. Ja, man könnte über dieses Kaff anders schreiben, vermutlich aber nicht mit dieser Eindringlichkeit. Es ist, als hätte hier jemand die perfekte Symbiose von Story und Stil gefunden.

Linktipp NZZ: An der Raststätte wartet der Tod. Ein Hochamt der Kriminalliteratur Eine Lobeshymne auf die beiden Westschweizer Quentin Mouron (aktuelles Buch Heroïne) und Joseph Incardonas (Asphaltdschungel): „Mit allen Wassern des Suspense und des rasanten Erzählens gewaschen, schicken sie mit ihren Büchern die Leser durch die Hölle des Daseins und durch das unfassbare Glück des Lesens.“

Bibliografische Angaben

Verlag: bilgerverlag
ISBN: 978-3-03762-058-8
Originaltitel: Notre-Dame-de-la-Merci
Erstveröffentlichung: 2012
Deutsche Erstveröffentlichung: 2016
Übersetzung: Holger Fock, Sabine Müller

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