Schreibblockade adé: Bringt euer Umfeld in Ordnung

von Bettina Schnerr
4 Minuten Lesezeit
Schreibblockade - zerknülltes Papier; Foto: birgitH (pixelio)
Dana Grigorcea - Das primäre Gefühl der Schuldlosigkeit

Teil 1 der litcamp-Session

Am Wochenende vom 11./12. Juni 2016 fand im Dezernat 16, einer alten Feuerwache, das erste LiteraturCamp Heidelberg statt. Die Idee dazu hatte Susanne Kasper von Literaturschock: ein Barcamp, das sich ausschließlich der Literatur widmet. Das Besondere am Barcamp ist, dass es ohne festegelegte Vorträge losgeht. Die Teilnehmer bereiten eigene Themen vor und bieten diese an. Da ich seit mehr als 15 Jahren für Zeitungen, Fachzeitschriften und Firmen schreibe, lag es nahe, dort eine Session zu Schreibblockaden vorzuschlagen. Gleich im ersten Slot ging es vor überraschend vielen Interessenten los. Nachträglich nochmals vielen Dank für das große Interesse.

Die Folien dazu sind auf Slideshare eingestellt. Ich versprach, parallel dazu den Vortrag als Ganzes nochmal in Worte zu fassen. Im Vortrag steckten ziemlich viele Stichwörter, sodass der Text ein wenig länger geriet; also habe ich mich entschlossen, ihn als Serie zu veröffentlichen. Es sind insgesamt vier Teile und am Ende jedes Beitrags findet ihr kompakt die Links dazu.

In den letzten Jahren habe ich mich selbst immer wieder vor dem berühmten weißen Blatt Papier gesehen. Am Ende aber kam ich immer mit den richtigen Buchstaben darauf aus dem Schreibprozess zurück und habe im Lauf der Zeit bemerkt, dass sich Probleme beim Schreiben auf einige Kernaspekte zurückführen lassen. Der Begriff „Schreibblockade“ ist letztlich nicht mehr als ein Überbegriff, der die Hemnisse des Alltags zusammenfasst. Mark Twain hat das ganz richtig erfasst: „The secret of getting ahead is getting started. The secret of getting started is breaking your complex overwhelming tasks into small manageable tasks, and then starting on the first one.“ Eine Schreibblockade besteht aus nichts anderem als solchen „manageable tasks“. Man muss sie nur erkennen.

Wie organisiert ihr den Arbeitsplatz?

Starten wir mit im ersten Teil der Serie mit einem Aspekt, der auf Anhieb nichts mit dem Schreiben zu tun haben scheint. In Wirklichkeit kann er gewaltigen Einfluss haben, wenn er nicht stimmig funktioniert: Die Rede ist vom Umfeld, also dem Arbeitsplatz, dem Schreibtisch, der Abschottung und der Ablage.

Klar, wer anfängt, seinen Schreibtisch auf Vordermann zu bringen, offenbart damit möglicherweise ein Symptom für ein Textproblem. Stichwort Prokrastinieren. Möglicherweise aber geht er das eigentliche Problem damit erst an. Mit Chaos auf dem Tisch und in den Unterlagen lässt sich nämlich schwer arbeiten. Da sollten auf alle Fälle Ordnungen geschaffen werden, die den Übergang zum Schreiben erleichtern. Wer zum Beispiel abends nach der Arbeit oder am Wochenende schreibt, hat vermutlich einen Schreibtisch und der sollte, wenn es endlich losgehen soll, tatsächlich ein Schreibtisch sein. Keine Ablage für Hemden, an denen die Knöpfe fehlen und kein Ersatz für die Kommode mit Kram, der den Weg in den Schrank noch nicht gefunden hat. Es gibt nichts Nervigeres als sich erst einmal den Weg freimachen zu müssen. Denn der Kopf steckt vielleicht schon längst im Texten, kommt aber nicht zum Zug. Unterlagen zu aktuellen Projekten sollten möglichst schnell greifbar sein, auch, wenn man kein Profi mit einem eigenen Arbeitszimmer ist.

Speziell im Homeoffice, wo vermutlich viele Autoren oder Blogger arbeiten, müssen sie zudem die Balance zwischen Privat und Arbeit halten. Da helfen Strukturen, wie die Festlegung von Arbeitszeiten, in denen keine privaten Telefonate angenommen werden, in denen keine Geschirrspülmaschine geräumt wird und die klingelnde Nachbarin im Zweifelsfall vor der Türe stehen bleiben muss. An solche Prinzipien gewöhnt man sich; meist fällt es nur am Anfang schwer, das klingelnde Telefon zu ignorieren.

Das Homeoffice zum Office machen

Es gilt übrigens auch, sich von Anderen zu emanzipieren. „Wer zu Hause ist, arbeitet nicht.“ Das ist noch in zu vielen Köpfen so verankert und man muss lernen, die Ohren zu versperren, wenn jemand die Reaktionsgeschwindigkeit moniert, weil er meint, für irgendeine Anfrage sei ja inzwischen ausreichend Zeit gewesen. Anrufe mit Hilfsanfragen für Radiorätsel und Ähnliches waren in den ersten Wochen meiner Selbständigkeit übrigens der größte Störfaktor. Der Hinweis auf meinen Beruf fruchtete nichts. Es half nur die hartnäckige Trennung vom Telefon.

Wer mag, sollte einmal den Umzug an einen externen Arbeitsplatz ausprobieren. Bibliotheken der Stadt, Landes- oder Universitäts/Fakultätsbibliotheken bieten sich mit ihren Arbeitsplätzen an und zudem haben sie oft interessante Öffnungszeiten. Ich habe folgende Beispiele herausgesucht:

  • Fakultätsbibliothek Informatik Karlsruhe: bis 22 Uhr
  • Bibliothek Ruhr-Universität Bochum: wochentags bis 24 Uhr & Sonntag
  • Lesesäle der Württembergischen Landesbiblitothek Stuttgart: bis 20 Uhr
  • Zentralbibliothek Zürich: 20 Uhr & Samstags.

Janine zitierte mich ganz korrekt mit der zweiten Variante, die gar nicht so sehr Klischee ist wie sie klingt:

Denn das Café ist tatsächlich eine Möglichkeit, das Spannungsfeld Privat/Arbeit im Homeoffice aufzulösen. Letztes Jahr lernte ich eine Autorin kennen, deren Kind ein Mal pro Woche in die Kita ging und sie selbst währenddessen im Café saß und schrieb. Das wiederholte sich Woche für Woche und herausgekommen ist „Das primäre Gefühl der Schuldlosigkeit“. Die Autorin ist Dana Grigorcea aus Zürich und ich habe gerade dieses Beispiel gewählt, weil ich glaube, dass es sehr gut verdeutlich, was die erzielbare Fokussierung innerhalb dieser Café-Stunden möglich macht. Und wenn es nur ein Mal pro Woche ist.

Es lohnt sich, eine gewisse Zeit lang die Arbeitsorganisation im Auge zu behalten. Nicht alles wird euch sofort auffallen und nicht für alles habt ihr sofort eine Alternative parat. Wer mit seinem Laptop stundenweise ausziehen möchte, dem rate ich, das mehrere Male hintereinander zu probieren. An einen anderen Arbeitsplatz muss man sich gewöhnen und es kann durchaus sein, dass euch das Café erst beim zweiten oder dritten Versuch sympathisch wird. Aber ab dem vierten Mal klappt es. Wenn es soweit ist, dann macht daraus eine Gewohnheit .

Möglicherweise habt ihr das bereits im Griff — umso besser!

¯\_(ツ )_/¯

Im zweiten Teil werde ich mich um die Frage kümmern, was zu tun ist, wenn entweder gar keine Ideen aufkommen wollen oder, im Gegenteil, zu viel auf dem Tisch liegt.


Hier alle Links zu den vier Teilen der Session:
Teil 1: Bringt euer Umfeld in Ordnung!
Teil 2: Vom Umgang mit Leere und Masse
Teil 3: Nutzt die Automatismen von Denkprozessen aus
Teil 4: Sucht ihr den perfekten Text oder schreibt ihr schon? Das Finale
Vortragsfolien bei slideshare


Foto: birgitH (pixelio)

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