Silja Ukena – Der Eismann

von Bettina Schnerr
2 Minuten Lesezeit

In einer Berliner Schrebergartenanlage wird ein gefesselter Toter aufgefunden. Ein Rentner und offenbar ein Dauerbewohner der Anlage, aber einer, dessen persönlicher Besitz der Polizei keine sinnvollen Hinweise gibt. Einen schwierigeren Todesfall kann es kaum geben: Keine erkennbare Vita, keine Zeugen, keine Spuren, kein Motiv.

Der zweite Todesfall vor Weihnachten ist, was die Ausgangslage für die Ermittlungen angeht, auch nicht viel besser. Die ehemalige Opernsängerin Margarete Müller stürzt aus dem Fenster ihrer Wohnung. Dass es Selbstmord ist, wird vom Umfeld angezweifelt und auch die Ermittler müssen einsehen, dass diese Theorie nicht zur Tatortsituation passt. Von einem Tatmotiv aber fehlt auch hier jede Spur. Die Ermittlungen stocken. Sehr zum Missfallen der Staatsanwältin, die -so sieht es aus- am liebsten jeden beliebigen Verdächtigen zu Gunsten von Ruf, Karriere und Ego dafür festnageln würde.

Bei den beiden Fällen passt kaum etwas zusammen. Erst, als ein dritter Mord passiert, findet das Team von Hauptkommissar Bruno Kahn etwas mehr Hinweise und Spuren. Doch je mehr das Team findet, umso weniger Klarheit bekommt es. Mindestens zwischen zwei der Toten muss es eine Verbindung geben, aber wie findet man die, wenn der Lebenslauf erst ab Anfang der 1990er Jahre rekonstruierbar ist? Dieser Zeitpunkt gibt ihnen zwar den entscheidenden Ansatzpunkt dafür, wo mit der Suche nach Täter und Motiv neu angesetzt werden muss. Aber gerade das beschert ihnen auch neue Hindernisse.

Die Vergangenheit ist höchst lebendig

Der Klappentext in diesem Fall füllt die übliche Lücke auf der Buchrückseite, erzählt aber nichts zum Buch. Besser ist es, ein Interview mit Autorin Silja Ukena zu suchen, um ein wenig mehr über den Krimi und seine Hintergründe zu erfahren. Ukena gräbt in der deutschen Vergangenheit und fördert eine Geschichte mit Familiengeheimnissen, Spionage und Bespitzelung zutage. Ein alter Hut? Weit gefehlt. Auch, wenn so mancher nichts mehr davon hören möchte, andere das alles für Vergangenheit halten, einige endlich einen Deckel drauf legen wollen, so zeigt Silja Ukena, wie sehr diese Vergangenheit immer noch unser Heute bestimmt.

Das Netzwerk der Stasi reicht bis in die heutigen Tage. Ein paar interessante Nebenfiguren zeigen eindrucksvoll, wie gut die Mechanismen im Zweifelsfall noch funktionieren. Alte Loyalitäten und Befehlsketten lassen sich eben nicht einfach unterbrechen. Die unfassbaren Mengen an Unterlagen der Stasi sind noch lange nicht durchgearbeitet und katalogisiert. Es verschwinden nach wie vor Daten und dementsprechend mühsam ist die Aufarbeitung der Todesfälle. Die Ermittlungen fordern viel Energie, Kreativität und Querverbindungen, um in dieser Datenmasse die richtigen Stecknadeln zu entdecken.

Es ist ein klassisch erzählter Krimi mit glaubwürdigen, nicht übertriebenen Charakteren. Bruno Kahn, der „einsame Wolf“, denkt einfach dann am besten nach, wenn er alleine und außerhalb seiner Dienststelle durch die Gegend laufen kann. Im Stil der Autorin, die als Kind gerne Zoodirektorin geworden wäre, tut er das am liebsten: im Zoo. Die Neue im Team, Laura Conti, entpuppt sich als ebenso effizient wie die anderen Kollegen und denkt hervorragend mit. Eine Eigenschaft, die Kahn schätzen lernt. Die Dienststellen untereinander können sich auf ihre jeweiligen Einschätzungen verlassen. Nur die Staatsanwältin wirkt als unangenehme Reizfigur. Für einen Krimi reicht das allemal, wenn der Rest des Falles stimmt. Und beim Debut von Silja Ukena tut es das.

Silja Ukena - Der Eismann

Bibliografische Angaben

Verlag: Blanvalet
ISBN: 978-3-764-50525-7
Erstveröffentlichung: 2015

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