Nach meiner Rückkehr aus dem „Lotte“ sitzen wir auf der Terrasse.
Ein Mann wird in einem Wintergarten bewirtet und ausgefragt: „Hast du da drüben etwas gesehen, das uns weiterhilft, Aart?“ Er hat, würde ich sagen, verrät aber auf diesen beiden Seiten nichts. Aart hat etwas erlebt, das ihn sehr verwirrt: „Doch ich bringe zunächst kaum ein Wort heraus … Nach einigen Gläsern Rotwein wird es besser.“ Auch für mich wird’s verwirrend, denn die beschriebene Welt ist hochtechnologisiert. Es ist von einem Mirrorspace die Rede und „detaillierten Spiegelungen“, die man offenbar beobachten kann oder daran aktiv teilnimmt und ich stelle mir etwas Ähnliches vor wie Virtual Reality-Erlebnisse mit speziellen Brillen. Oder Holodecks bei Star Trek.
Bei ihm ist Ava, die mangels Informationen mit ihrem eigenen Wissen rausrückt. Auch das ausgesprochen futuristisch. Das Flipchart besteht aus einer Medienfolie, die sich per Stimmbefehl mit den verschiedensten Daten füllt. Und nach nur einer halben Seite wird’s spannend.
Die Technisierung geht weiter: Menschen können sich mit Hilfe obskurer Behandlungen gesünder und fitter machen lassen: Zellauffrischungen, Nanokuren, Musclestim-Treatments. Lebenserwartung: hundertneunzehn Jahre. Dumm nur: Die betreffende Person wurde ermordet und um die Aufklärung geht’s. Seite 99 befasst sich akribisch mit den Daten, die ein Team gesammelt hat. Zu dem gehört neben Ava und Aart mindestens noch Terry. Alle kombinieren Daten, Mitschnitte, Bewegungsprofile und Videosequenzen, dass selbst sämtliche CSI-Serien dagegen Kindergarten zu sein scheinen. Alle Personen, zu denen diese Datenscans bisher gemacht wurden, scheinen fein raus zu sein. Keine Unstimmigkeiten, allerbeste Alibis.
Der ermordete Pazzi ist ein junger Politiker und mir suggeriert so ein Detail in einem Krimi, dass irgendetas gewaltig stinkt. Da brauche ich nicht einmal den Klappentext, um zu ahnen, dass sich selbst Daten in dieser Superzukunft fälschen lassen (und tatsächlich heißt es auf dem Buchrücken, die Datenspur sei manipuliert). Anfangs war ich mir nicht sicher, ob Ava und Aart so eine Art Untergrundkämpfer gegen das System sind, aber den Eindruck hatte ich schon am Ende der ersten Seite nicht mehr. Die beiden gehören zur ermittelnden Polizei. Hätte ich mir nicht die Page 99-Regeln auferlegt, ich würde weiterlesen.
Zum anderen qualitativ — gab es auffällige …
Das Buch
Tom Hillenbrand – Drohnenland
Verlag: Kiepenheuer & Witsch
ISBN: 978-3-462-04662-5
Erstveröffentlichung: 2014
„Open the book to page ninety-nine and read, and the quality of the whole will be revealed to you.“
— Ford Madox Ford
Im angelsächsischen Raum kennt man den Page 99-Test gut; der Blog Page 99 Test widmet sich aussschließlich dieser Idee. Im deutschsprachigen Raum nutzt Tell das Ford’sche Konzept. Bleisatz erweitert auf zwei Seiten und nein, es ist keine Rezension. Es ist eine Momentaufnahme dessen, was ein Textfragement mit mir als Leserin macht — zu einem Zeitpunkt, an dem die Story fortgeschritten ist, die Personen längst eingeführt sind.