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Jean-Luc Bannalec – Bretonische Verhältnisse

Jean-Luc Bannalec – Bretonische Verhältnisse

Jean-Luc Bannalec - Bretonische VerhältnisseDer erste Fall für Kommissar Dupin, eigensinniger Pinguinliebhaber und koffeinabhängig, gebürtiger Pariser und zwangsversetzt ans Ende der Welt. An einem heißen Julimorgen kurz vor der Hochsaison geschieht im pittoresken Künstlerdorf Pont Aven ein mysteriöser Mord: Pierre-Louis Pennec, der hochbetagte Inhaber des legendären Hotels Central, das schon Gauguin und andere große Künstler beherbergte, wird brutal erstochen. Wer ermordet einen 91-Jährigen und warum? Was ist in den letzten Tagen des Hotelbesitzers vorgefallen?

Als kurz darauf eine zweite Leiche an der bretonischen Küste aufgefunden wird, realisiert Georges Dupin, dass er es mit einem Fall ungeahnten Ausmaßes zu tun hat. Währendsich der Druck von Seiten der Öffentlichkeit verschärft und die kapriziösen Dorfbewohner beharrlich schweigen, begibt sich Dupin auf die Suche nach dem Mordmotiv – und kommt im Dickicht der bretonischen Verhältnisse einem spektakulären Geheimnis auf die Spur.

Rezension

Wenn Kommissar Dupin nicht einmal in Ruhe frühstücken kann, fängt der Tag schon schlecht an. Besser wird es erst recht nicht, wenn er Aufgaben für den Nachbarbezirk übernehmen muss, weil der zuständige Beamte Urlaub hat. Aus dem ruhigen Sommertag wird nichts, denn Dupin wird aus seinem Stammcafé in Concarneau wegen des Mordes am 91-jährigen Hotelbesitzer Pierre-Louis Pennac nach Pont Aven zitiert. Zwar arbeiten Dupin und sein Team sehr zügig viele Details ab, aber warum jemand einen so alten Herrn unter die Erde bringen wollte, bleibt ein Geheimnis. Die einflussreichen Politiker der Gegend sitzen ihm umso schneller im Nacken, denn das betroffene Hotel ‚Central‘ ist in der Bretagne eine Institution: Hier ließen sich im 19. Jahrhundert zahlreiche Maler nieder, deren Arbeiten später als ‚Schule von Pont Aven‘ berühmt wurden.

Pennac schreibt vier Tage lang die roten Hefte voll, die er schon seit seiner Ausbildung als Notizhefte für seine Fälle benutzt. Seit etwas mahr als zwei Jahren arbeitet er in der Bretagne, strafversetzt aus Paris. Die Hintergründe bleiben unklar, dürften jedoch im Wesentlichen mit rauhen Umgangsformen zu tun haben. Dupin kann Telefonate aus heitem Himmel abbrechen, Kollegen ohne Informationen sitzen lassen und offensichtlich auch widerborstige Antworten geben. In Paris kamen seine „fortgesetzten infamen Beschimpfungen“ der Vorgesetzten jedenfalls nicht gut an. Auch in der Bretagne hat er schnell Menschen gefunden, die ihm zuwider sind, aber er hält sich besser zurück und hat zum Glück auch Mitarbeiter, die seine unhöfliche und unprofessionelle Art aushalten können.

Dupin sagt von sich selbst, dass ihm ein paar der „Abgründe“ fehlten, „die mittlerweile für seinen Berufsstand ein Erfordernis, quasi ein Standard zu sein schienen: Drogensucht, zumindest Alkohol, Neurosen oder Depressionen bis hin zu klinischen Graden, eine stattliche eigene kriminelle Vergangenheit, Korruption interessanteren Ausmaßes oder mehrere dramatisch gescheiterte Ehen. Nichts davon hatte er vorzuweisen.“ Doch, seine Manieren im Umgang mit anderen zählen durchaus zur Liste der Macken, aus denen sich ein literarischer Kommissar von heute seine Persönlichkeit zusammenstellt. Trotzdem macht sich Dupin gut, denn von seinen Manieren lenken die Beschreibungen aus der Bretagne und die kleinen Inforamtionshappen zu den lokalen Besonderheiten gut ab.

In der Bretagne wartet auf Dupin kein rasanter Fall, sondern einer, den er sich erarbeiten muss. Für ihn bedeutet das, oft einen kleinen Spaziergang einzulegen, um besser nachdenken zu können. Der Schlüssel zum Hintergrund der Tat steckt nicht in den Aussagen der Bretonen, die die Kunst beherrschen, ihre Aussagen so sparsam zu dosieren, dass man das Treffen als Gespräch abhaken kann und trotzdem das für den Mord relevante nicht erfahren hat. Den Schlüssel findet Dupins Mitarbeiter Riwal, der sich stundenlang mit detaillierten Recherchen abmüht.

Das stimmungsvolle Coverbild zeigt die Richtung an: Alles in allem punktet dieser Krimi mit seinem Lokalkolorit, in den der Fall optimal eingebettet worden ist, und der klassischen Aufmachung zwischen Gesprächen, Nachdenken, neuen Gesprächen und akribischen Nachforschungen. Ein guter Pluspunkt ist übrigens innen im Einband versteckt, in dem eine Landkarte die Orientierung am Ort des Geschehens erleichtert.

Bibliografische Angaben

Verlag: Kiepenheuer & Witsch
ISBN: 978-3-462-04406-5
Erstveröffentlichung: 2012

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