Kira Tolle steht eine Nacht am Flughafen Athen bevor. Gerade kommt sie von einer Reportagetour von einer griechischen Insel zurück und wartet auf den Anschlussflug. Auf der einzigen Bank ohne Armlehnen weit und breit macht sie es sich neben einem Mann bequem, der offensichtlich ebenfalls die Nacht überbrücken muss. Als sie am nächsten Morgen erwacht, findet sie ihren Banknachbarn tot neben sich und ist sich sicher: Er wurde vergiftet. Spontan beschließt Tolle, der Heimatstadt des Toten, dessen Adresse sie auf seinem Gepäck entdeckt, einen Besuch abzustatten. Denn Tolle schreibt nicht nur Reportagen, sondern auch Krimis, und erhofft sich spannendes Material für das kommende Manuskript.
Mit viel Glück und viel Zufall findet Tolle in Toulouse schnell Anschluss – an die Familie des toten Henri Legrand. So erfährt sie aus erster Hand, dass dieser Legrand eine für sie verwirrend große Vielzahl an Motiven geliefert hat. Frisch getrennt zum Einen, als Journalist an einer brandheißen Story dran zum Anderen. Und als Buchautor obendrein noch unfair. Legrands Schwester Isabelle gibt Tolle eine Unterkunft und bis auf ein Familienmitglied schlucken alle die kleine Notlüge, mit der sich Tolle in die Nähe der Familie bringt. Von dieser Nahperspektive aus nimmt Tolle die Familie und Legrands Kollegen und Bekannte unter die Lupe, allerdings immer mit dem brenzligen Gefühl im Bauch, irgendwann enttarnt zu werden.
Mit dem Kriminalfall in Toulouse startet Bernadette Olderdissen die Krimiserie „Globetrottter“, die Kira Tolle für jeden Fall in ein anderes Land der Welt verschlägt. Die Idee ist faszinierend, nicht nur, weil ich selber seit einigen Jahren literarisch auf Weltreise bin, sondern auch, weil die Autorin für die Fälle aus eigener Erfahrung schöpfen kann und keine Lexika wälzen muss. Das wird man den Bänden sicher anmerken – in Toulouse jedenfalls kommt man als Leser tatsächlich ein bisschen an. Nicht so warm allerdings wurde ich mit Kira Tolle. Sie ist zwar jemand, zu dem die meisten Familienmitglieder der Familie Legrand Vertrauen haben und ihr so einiges freimütig erzählen, aber für mich war sie ein wenig zu staksig. Denn als Leser erfährt man mehr über sie und fragt sich, wie diese Persönlichkeit zustande kommt. Da ist zuviel gewollte (negative Vor-)Geschichte drin. Ein Zug, den irgendwie alle Ermittler scheinbar haben müssen, es aber eigentlich gar nicht brauchen. Da wird es dennoch interessant zu sehen sein, wie sich das eine oder andere Geheimnis in Tolles Lebenslauf auflöst. Im Gegenzug kommen die Verdächtigen der Familie Legrand und ihres Umfelds besser zum Tragen und bilden als gut verteilte Charaktere viele Anknüpfungspunkte für Verdachtsmomente, Sympathien, Sorge oder Mitleid.
Manch ein Punkt in der Story wirkt etwas unglaubwürdig, aber ich finde, das bleibt im Rahmen, denn bei Olderdissens Konzept ist es mir als Leser wichtig, dass die Idee der Globetrotter-Serie funktioniert. Und da darf die Polizei auch mal vergessen, Überwachungskameras ordentlich auszuwerten. Der Krimi ist unterhaltsam geschrieben und sonst gut konzipiert, denn Olderdissen führt uns an der langen Leine und hinterlässt überall fleißig Spuren, bis sich die Zeichen endlich verdichten. Man darf gespannt sein, wie sich die Serie entwickelt, wie sich Kira schlägt und was am Ende aus der vielversprechenden Aussage wird: „Bis dass der nächste Mord uns vereine!“
Bibliografische Angaben
Verlag: Selbstverlag
ISBN: 978-3-73930-598-1
Erstveröffentlichung: 2015
Bestellen bei genialokal.de* / buchhaus.ch* / osiander.de* / orellfuessli.ch* / medimops.de* / amazon.de* (*Affiliate-Links)