Ein Abend, an dem ein Zufall ein Leben in eine neue Richtung führt – daran erinnert sich Seita Yamazaki. Ein Abend, an dem er in einer winzigen Kneipe im Golden Gai hängenblieb, einer Spelunke, in der kaum Platz war, um sich zwischen Gästen und Wand zu einem Platz hindurchzuquetschen. Er bekommt von „Miau-jongg“ mit, einem Katzen-Lotto, das die Stammgäste hier aus einer Laune heraus gelegentlich spielen. Grundlage zum Spiel bilden ein kleines Fensterchen, an dem sich gelegentlich eine Katze blicken lässt, und eine Zeichnung am Kühlschrank, die die Charakteristika der Tiere einfängt und ihnen Namen gibt. Gezeichnet hat sie Yume-chan, Köchin und Barkeeperin im Karinka.
Nicht nur dieses „Miau-jongg“ gefällt Yamazaki; die spröde Yume-chan interessiert ihn ebenfalls und so wird der junge TV-Texter zum Stammgast.
Wenn ich im Karinka trank, fühlte ich mich von diesem schmerzenden Brennen, meiner ungestillten Sehnsucht, befreit. Es lag wahrscheinlich daran, dass die meisten Gäste hier, allen voran Yume-chan, sich ebenso wenig wie ich im Einklang mit der Gesellschaft befanden.
Yamazaki hadert mit sich und der Welt. Er ist farbenblind und konnte sich für seine Traumjobs deshalb nicht bewerben. Über Umwege ist er dennoch beim Fernsehen gelandet und regt sich nach wie vor über die empfundene Kränkung auf. Zumal er inzwischen weiß, dass es für viele TV-Jobs eigentlich egal wäre. Obendrein macht ihm sein unberechenbarer Chef zu schaffen, der, wenn er unzufrieden ist, gerne mal auf Yamazaki eindrischt. Zugleich würde der junge Mann lieber Drehbücher schreiben, Lyrik oder ganz anderes – statt Quizfragen zu entwickeln, von denen die Mehrzahl regelmäßig abgelehnt wird.
Irgendwann bricht die fragile Freundschaft zu Yume-chan zusammen, Yamazaki wird gefeuert und innerhalb kurzer Zeit muss er sich neu orientieren. Und dennoch zeigt ihm die Begegnung mit der sehr verschlossenen Yume-chan eine Möglichkeit, seine Arbeit anders anzunehmen und zu gestalten.
In der Ruhe liegt die Kraft
Wie so viele japanischen Romane ist auch dieser hier ein sehr ruhiges Stück Literatur. Oft liegt es daran, dass die Hauptpersonen nicht gerade aktiv ein Ziel verfolgen (Sukegawas „Kirschblüten und rote Bohnen“ funktioniert sehr ähnlich). Ihnen passiert etwas und sie müssen sich damit künftig arrangieren oder herauswinden und ihren Weg unter neuen Voraussetzungen finden.
Genau so passiert es Yamazaki. Eigentlich unzufrieden mit der beruflichen Situation, bewegt er sich dennoch nicht weg. Er weiß nicht so recht, wie, und ist vielleicht auch zu sehr gelähmt von den Firmenstrukturen. Eine Kündigung könnte seinen Traum beenden, in der TV-Szene zu bleiben. Die Beziehung zu Yume-chan ist nicht so recht eine, wie er sich das wünscht. Obgleich die beiden eine gemeinsame Wellenlänge finden.
Just da kommt der Punkt, wo etwas „passiert“ und ab dem Yamazaki schauen muss, wie er damit zurechtkommt. Zu seiner Überraschung stellt er fest, dass er gar nicht so alleine dasteht. Er selbst mag keinen Blick dafür gehabt haben. Andere hatten das sehr wohl und zeigen ihm eine Wertschätzung, die ihm wieder auf die Füße hilft. Da ist es wieder, dieses „arrangieren oder herauswinden“. Ein Rückblick gegen Ende des Romans zeigt, dass er inzwischen mit sich im Reinen ist und sich unter den neuen Umständen hervorragend zurechtfindet. Und dass mit dem Karinka nach wie vor zutiefst verbunden ist.
Bibliografische Daten
Verlag: Dumont
ISBN: 978-3-8321-6620-5
Originaltitel: Shinjuku no neko (新宿の猫)
Erstveröffentlichung: 2019
Deutsche Erstveröffentlichung: 2021
Übersetzung: Sabine Mangold
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