Mick Herron – Down Cemetery Road

von Bettina Schnerr
2 Minuten Lesezeit
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Sarah Tucker führt ein langweiliges Vorstadtleben: Ihr Mann Mark arbeitet bei einer Bank, sie selbst hat ihren Job aufgegeben. Sarah hat das Gefühl, in einem Nichts aus ermattender Hausarbeit gelandet zu sein, während Mark sich längst angekommen fühlt und endlich ein Kind haben will. Für einen unerwarteten Einbruch in diese Idylle sorgt eine Einladung zu sich nach Hause, mit der Mark einen zahlungskräftigen Kunden beeindrucken will. An jenem Abend geht in der direkten Nachbarschaft ein Haus in die Luft.

Obgleich dort nur eine alleinerziehende Mutter mit einem kleinen Kind wohnte, holen die Retter zwei tote Erwachsene aus dem Haus. Die Tochter Dinah überlebt durch einen glücklichen Zufall, verschwindet nach kurzer Zeit aber aus dem Spital. Sarah wird misstrauisch, weil sich weder Polizei noch Spital für diese Ungereimtheiten zu interessieren scheinen. Sie wendet sich an einen Privatdetektiv, um das Mädchen wiederzufinden.

Eine Idylle unter Druck

„Down Cemetery Road“ ist der Debutroma von Mick Herron. Die Welt der Geheimdienste hatte es ihm damals schon angetan, bevor er mit den Slow Horses hierzulande mit einem Schlag bekannt wurde. Der Geheimdienst spielt zunächst keine Hauptrolle, doch zeichnet sich bereits die weitsichtige Aufarbeitung vom Geschehen hinter den politischen Kulissen ab. Jemand kalkuliert bewusst damit, dass der Alltag im Viertel schnell wieder Überhand gewinnen wird, dass sich niemand Gedanken um die zweite Leiche machen wird und dass niemand Dinah vermissen wird. Bestimmt gibt es eine Behörde für solche Fälle.

Wäre da eben nicht die Hausfrau Sarah, die in ihrer Rolle höchst unterfordert ist. Ob von Herron so gewollt oder nicht, lässt sich das Tucker’sche Zuhause sehr wohl als gesellschaftlicher Kommentar lesen. Er zeigt eine Welt, in der (im Gegensatz zum großen gesellschaftlichen Bild) eine Form der Unterdrückung praktiziert wird, bei der mehrere Beteiligte bereitwillig kooperieren, sobald jemand auszubrechen scheint — in diesem Fall eine Ehefrau.

Unter den Teppich gekehrt

Mick Herron - Down Cemetery Road

Sarah Tucker jedenfalls sucht einen Privatdetektiv auf, der Dinah suchen helfen soll. So kommt zum ersten Mal Zoë Boehm ins Spiel die just dort arbeitet. Sarah Tucker merkt schnell, dass sie einen verdammt gefährlichen Gegner aufgescheucht hat. Es gibt mehr Tote und es gibt plötzlich Drohungen gegen sie. Zoë Boehm hingegen ist das Buch über erstaunlich unsichtbar – obgleich sie freilich eine entscheidende Rolle spielen wird. Das war unerwartet, ist sie doch Namensgeberin der Serie.

Kann es sein, dass der Debutroman zunächst nicht als Start einer „Boehm-Serie“ gedacht war? Als Figur aber ist Boehm bereits in diesen Ansätzen die schlaue „hart, aber herzlich“-Frau, die gerade in den Trailern für die Verfilmung zu sehen ist.

Was schlussendlich mit der Geschichte aus Kriegsverbrechen und Waffentests passiert, die Mick Herron hier anzettelt, und die von der englischen Regierung tunlichst vertuscht werden soll, bleibt am Ende offen. Vermutlich werden die Verantwortlichen die Kurve zumindest so weit kriegen, dass die entscheidenden Hauptpersonen am Leben bleiben, und trotz der vielen Leichen öffentlich nicht zuviel Staub aufgewirbelt wird. Was man mehrheitlich mit einem Seufzen quittiert und – wie einkalkuliert – wieder zum Alltag übergeht.

Bibliografische Angaben

Verlag: Diogenes
ISBN: 978-3-257-86573-8
Originaltitel: Down Cemetery Road (Oxford Books 1)
Erstveröffentlichung: 2003
Deutsche Erstausgabe: 2025
Übersetzung: Stefanie Schäfer

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