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Literatur, Rezensionen & mehr

Der Herbst der alten Schätze I

Der Herbst der alten Schätze I

Vergessene Klassiker neu entdeckt

In meinem Bücherregal tummeln sich einige Bücher, die schon ein paar Jahre auf dem Buckel haben. Ihnen haftet vielfach das goldene Etikett des Klassikers an. Nur: Gelesen habe ich trotz aller Lorbeeren noch lange nicht alles davon. Daher widme ich mich im Herbst verstärkt den gut gelagerten Büchern, will die alten Schätze heben, möchte mehr von vergangenen Bestsellern oder großen Namen lesen.

Schlicht willkürlich habe ich festgelegt, dass keines der Bücher jünger sein darf als 1975. Dann landen wir bei einem Alter von mindestens 40 Jahren und das erscheint mir für den Begriff „alte Schätze“ ausreichend. Abgesehen von den Rezensionen, die in der gleichnamigen Rubrik zu finden sein werden, sammle ich alle Titel hier noch einmal separat mit einigen zusätzlichen Kommentaren.


Die Titel

Ethel Lina White - Eine Dame verschwindetDen Anfang macht Ethel Lina White, ein Name, der vermutlich nicht sofort von einem Aha-Erlebnis begleitet wird. Dabei verdanken wir White einen sehr spannenden Film von Alfred Hitchcock. Klingelt vielleicht was bei „The Lady vanishes“ bzw. „Eine Dame verschwindet“? Verfilmt 1938 mit Margaret Lockwood, Michael Redgrave und May Whitty. Dieser Film basiert auf Whites Roman von 1936. Der Originaltitel wird in meinem Buch mit „The lady vanishes“ angegeben, lautete tatsächlich aber „The wheel spins“. Der bekannte Filmtitel sorgte später für eine Anpassung des Romantitels, damit Leser und Kinogänger gleichermaßen den Zusammenhang besser erkennen konnten. Meine Buchausgabe ist von 1975 und die letzte mir bekannte deutsche Ausgabe des Romans. Auf englisch ist der Titel immer noch zu bekommen, als Ebook natürlich und seit März 2015 als Paperback von Wordsworth Classics in einer Sammelausgabe mit „The spiral staircase“. Auch der letztgenannte Roman (im Original ursprünglich „Some Must Watch“ von 1933) wurde 1946 verfilmt und der damalige Filmtitel prägt ebenfalls die späteren Printausgaben und Filmbearbeitungen. Wenn Alfred Hitchcock Ethel Lina Whites Roman so sehr schätzte, muss doch was dran sein, oder?

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Den zweiten Gang lasse ich servieren von Peter O’Donnell und seiner Schöpfung Modesty Blaise. Blaise begann ihre Karriere 1963 als Comic-Figur im Londoner „Evening Standard“. Die Comics waren mit fast vierzig Jahren Präsenz ziemlich langlebig. Ab 1965 folgten dann insgesamt dreizehn Romane um Blaise, später auch Verfilmungen. Modesty Blaise gilt als Kultfigur, was mich angesichts ihrer Biografie nicht wundert. Mit allen Wassern gewaschen, Ex-Bandenchefin und von ihrem neuen, eintönigen Ruhestand entsetzlich gelangweilt. Da bleibt einem natürlich nichts anderes übrig, als für den britischen Geheimdienst zu arbeiten. Anlässlich des 85. Geburtstags von Autor Peter O’Donnell im Jahr 2005 brachte der Unionsverlag fünf der Titel neu heraus im Fundus der metro-Serie, herausgegeben von Thomas Wörtche. Einige Titel sind vergriffen, darunter auch „Die Goldfalle“, andere noch lieferbar. Die derzeit beste Quelle für eine Lektüre ist abgesehen vom Antiquariat, wie schon bei White, der englischsprachige Markt mit einer Ausgabe in der Originalsprache.

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Auch das dritte Buch ist als „druckfrische“ Version nur auf Englisch zu bekommen, in Anführungszeichen deshalb, weil es nur per Ebook geht: „Topkapi“ von Eric Ambler. In diesem Fall kam die berühmte Verfilmung mit Peter Ustinov zwei Jahre nach Veröffentlichung des Buches (als Mitglied der britischen Armee arbeitete Ambler übrigens mit dem späteren Topkapi-Darsteller Ustinov in den 1940er Jahren zusammen).

Bei einer Verfilmung blieb es nicht: Ambler lieferte mit seinen Romanen nicht nur viele Vorlagen für Verfilmungen, er schrieb auch selber Drehbücher. Aufmerksam wurde ich auf den Roman durch die 2006 veröffentlichte Kriminalbibliothek der Süddeutschen Zeitung und habe mich nun endgütig zur Lektüre entschlossen, nachdem ich gesehen hatte, wie Ambler seine Autobiografie (veröffentlicht 1985) betitelt hatte: Here lies Eric Ambler. Eine zweischneidige Aussage, die mir gefällt. Das macht neugierig auf den Spionage-Spezialisten und sein „Topkapi“, der als sein bekanntester Roman betitelt wurde.

Mein vierter Krimi ist förmlich eine Ausgrabung: Von Patrick Quentin gibt es im Printbereich -soweit ich das gesehen habe- nur noch antiquarische Sachen und im Ebook-Bereich nichts. Es sei denn, man kann Italienisch, denn da finden sich immerhin zwei Übersetzungen. In den 1990er Jahren hatte der Diogenes Verlag rund zehn Werke publiziert, einige Titel gehörten bereits in den 1970ern zu den Heyne Crime Classic und Quentin wurde einige Male vverfilmt.

Der Clou: Patrick Quentin sind viele. Es ist das Pseudonym von Hugh Callingham Wheeler und Richard Wilson Webb, die teilweise zusammen mit Martha Mott Kelley und Mary Louise White Aswell schrieben. Sie arbeiteten auch unter anderen Pseudonymen, aber Patrick Quentin ist ihr bekanntestes und bei den Titeln ist es ihre Krimireihe um den New Yorker Theaterdirektor Peter Duluth. Letztere lässt sich bei den meisten Titeln daran erkennen, dass die Titel mit Puzzle für …/ Puzzle for … beginnen. Eine gute Übersicht über Namen und Serien liefert übrigens die Krimicouch. Von Patrick Quentin habe ich eine Handvoll Titel im Keller, allsamt geschenkt, und entschieden habe ich mich für eine Diogenes-Ausgabe, weil es mir das schwarz-gelbe Design viel mehr angetan hat als das fade der älteren Heyne-Ausgaben. Das Auge liest mit!

Beim fünften und letzten Klassiker von Phoebe Atwood Taylor hatte ich die leise Hoffnung, eine aktuelle Ausgabe zu finden. Denn mein Exemplar gehört zu DuMont’s Kriminal-Bibliothek, die zwischen 1986 und 2004 von Volker Neuhaus konzipiert und herausgegeben wurde. Neuhaus lobt, dass die klassischen Krimipuzzles der Autorin gleichzeitig das aktuelle Zeitgeschehen sehr genau abbildeten und eine „Kulturgeschichte der Roosevelt-Ära“ böten. Einige Titel dieser Edition wurden nach 2012 auch als Ebook herausgebracht – aber just der meine nicht. Dabei ist „Schlag nach bei Shakespeare“ offenbar der erste Part der Serie um Leonidas Witherall, einen pensionierten Akademiker, der nebenher Krimi-Groschenromane schreibt. Von den damals rund 150 Titeln der Kriminal-Bibliothek ist heute etwa ein Drittel als Ebook erhältlich und vom Verlag war leider nicht zu erfahren, ob die Edition komplett als Ebook fortgeführt wird. Von den Witherall-Titeln haben es jedenfalls vier ins Ebook-Zeitalter geschafft. Diese Krimiserie entstand ab 1937 mit insgesamt acht Fällen und wurde von Atwood Taylor unter dem Pseudonym Alice Tilton veröffentlicht. Unter ihrem eigenen Namen schrieb sie die Serie um den Seemann und Autorennfahrer Asey Mayo – womit auch gleich einen Hinweis auf eine andere, potenziell interessante Serie gesetzt ist.

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Foto: Matthias Heil (unsplash)

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