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Ebooks lesen ohne Reader

Ebooks lesen ohne Reader

Yomu, die Lese-App

Vor kurzem habe ich mich auf die Suche nach einer App gemacht, um unabhängig von einem Reader lesen zu können. Wichtig war mir, dass die App auf dem Mobiltelefon und einem Tablet läuft und nicht in irgendeiner Weise an einen Anbieter gebunden ist (sowas habe ich schon und einer von dieser Sorte ist wahrlich genug). Als erstes probiert habe ich Yomu, was mir des Namens wegen auf Anhieb sympathisch war. Yomu bedeutet auf Japanisch Lesen (読む /よむ). Einen richtigeren Namen kann es für eine Reader-App quasi nicht geben, ohne dass der Name im Deutschen nach einem bemühten Wortspiel klingt. Ich unterstelle hiermit natürlich, dass der Schweizer Entwickler Beat Raess bewusst auf das japanische Wort zurückgegriffen hat. Informationen zum Namen habe ich nirgends gefunden (habe allerdings auch nicht danach gefragt). Die App gibt es kostenfrei; eine Version mit mehr Funktionen nennt sich Yomu Pro und kostet 3 Euro (3 CHF). Wahlweise können auch 5 Euro (5 CHF) im Gegenwert von Yomu Pro zuzüglich „mehr Karma“ bezahlt werden.

Klares, minimalistisches Design

Yomu ist sinnvollerweise sehr schlicht aufgebaut und die Meinung des Entwicklers ist hinsichtlich seiner Rahmenbedingungen glasklar: „Designed to let you focus on reading, Yomu has no unnecessary preferences.“ Sprich: Es geht ausschließlich ums Lesen des Ebooks und darum hat er Yomu ganz offensichtlich nur mit den Funktionen versehen, die für das reine Lesen notwendig sind. Die Imitation des sich biegenden Papiers beim Umblättern, wie das zum Beispiel bei iBooks zu finden ist, gibt es bei Yomu folglich nicht; ein netter Gimmick, aber vermissen wird man ihn beim Lesen mit Yomu wirklich nicht. Es gibt auch keine Regaloptik in der Bibliothek, keine Newsfeeds, keine Bewertungen anderer zum Buch oder Tags.

Bibliothek von Yomu, die Lese-App von Beat Raess

Zu den Einstellmöglichkeiten gehören vier Themes, die sich in der die Darstellung der Schrift unterscheiden. Wer Serifenschriften mag, liest mit Lora oder Cardo, wer es ohne mag, nimmt Lato oder Avenir. Zwei weitere Themes gibt es im Upgrade. Die Schriftgröße variiert zwischen vier Stufen, der Text kann mit oder ohne Blocksatz gelesen werden und auch die automatische Silbentrennung lässt sich ein- und ausschalten. Anhand dieser Voreinstellungen regelt Yomu die Textdarstellung dynamisch.

Weiter im Text kommt man wahlweise mit Scrollen oder durch den klassischen Seitenwechsel. Der funktioniert bei Yomu entweder durch das auf dem iPad/iPhone typische Streichen oder per Fingerklick auf den Seitenrand. Letzteres klappt immer einwandfrei; auf dem iPad bei mir funktionierte das Streichen nur innerhalb eines Kapitels reibungslos. Bei Kapitelenden musste ich „energischer“ streichen, während innerhalb eines Kapitels eine minimale Bewegung genügte. Aber das hat man nach drei oder vier Kapiteln überwunden: Man sieht, dass das neue Kapitel kommt und stellt die Bewegung automatisch um.

Markieren bzw. mit Anmerkungen versehen lassen sich Textpassagen natürlich auch. Wiedergefunden werden sie jederzeit über ein kleines Icon rechts oben, bestens sortiert nach Kapiteln. Mit Hilfe dieses kleinen Icons öffnet man generell Einstelloptionen und Navigation. Dezent hellgrau kommen überhaupt alle Navigationselemente daher: Der Fortschrittsbalken am Fußende ebenso wie der Blick in die eigene Bibliothek links oben. Wer mit Kontrastarmut am Bildschirm Probleme hat, für den ist Yomu wegen dieser schwach ausgeprägten Bedienelemente möglicherweise nichts. Ansonsten darf das Design als klar strukturiert und minimalistisch gelten und lenkt beim Lesen tatsächlich nicht ab.

Kommentare und Markierungen in Yomu, die Lese-App von Beat Raess

In die kostenfreie Version passen maximal acht Bücher, in der Pro-Version ist diese Limitierung aufgehoben. Zusätzlich können Pro-Nutzer in der Bibliothek weitere Ordner für die Sortierung der Bücher anlegen; voreingestellt sind in der Basisversion der Hauptordner und ein Archiv.

Reader für Unabhängige

Yomu will unabhängig sein und bleiben und fokussiert daher auf Standard-Epub-Formate ohne DRM. Voreingestellt sind Importmöglichkeiten aus Feedbooks, Epubbooks, Manybooks, Projekt Gutenberg und ebooks@Adelaide. Hinzu kommt eine Auswahl an Büchern, die von Yomu selbst zur Verfügung gestellt werden. Die sind genereübergreifend und fallen im Gegensatz zu manch anderen gemeinfreien Büchern durch passende und schöne Buchcover sehr positiv auf. Eigene Bücher kann man via Dropbox, GoogleDrive oder iTunes File Sharing importieren.

Mein erstes Testbuch kam problemlos über meine Dropbox auf das Tablet (Lady Bag von Liza Cody aus dem CulturBooks-Verlag, die komplett auf DRM-freie Bücher setzen). Das zweite Buch kam aus dem Yomu-Fundus, endlich der erste Fall für Tommy und Tuppence von Agatha Christe (The secret adversary). Will man ein Buch bearbeiten, geht man in die Bibliothek und tippt das betreffende Buch so lange an, bis die entsprechenden Icons erscheinen. Das Buch kann dann gelöscht, bearbeitet oder ins Archiv verschoben werden.

Bei meinen eigenen Importen wurden die Coverbilder nur in der Bibliotheksübersicht angezeigt. In der Lesefassung erschien lediglich ein Kästchen mit dem Hinweis „Cover Image“. Der Ursache dafür bin ich allerdings nicht auf die Schliche gekommen. Bei den von Yomu angebotenen Ebooks waren die Bilder im Format 4,5 x 6 cm enthalten.

Bei mir ist es zum Testzeitpunkt der Fall, dass ich verschiedene Leseoptionen nutze: Daheim Buch, Reader oder Tablet. Unterwegs das Mobiltelefon. Wer das ähnlich handhabt, könnte auf das (meiner Meinung nach) einzige gröbere Manko von Yomu gestoßen sein, denn Bücher auf verschiedenen Geräten lassen sich nicht synchronisieren. Man muss sich also alles zurecht blättern, wenn es morgens in der U-Bahn mit einem anderen Gerät weiter gehen soll als am Abend zuvor auf dem Sofa. Dieser Eindruck hängt selbstverständlich stark davon ab, ob man ein Ebook überhaupt auf verschiedenen Geräten lesen will. Wer das nicht tut, wird von der fehlenden Synchronisation schlicht auch nichts bemerken. Ich habe kurzerhand beschlossen, dass mir das zunächst egal sein soll. Zur Synchronisation teilte mir Beat Raess auf Rückfrage mit, dass das verfügbare technische Rüstzeug (in diesem Fall der iCloud Service von Apple) für diesen Zweck zu unzuverlässig sei. Klare Ansage: Was nicht stimmig funktioniert, kommt in die App von Raess dann auch nicht rein.

Yomu, die Lese-App von Beat Raess

 

Mein Fazit

Mit Yomu bekommt man genau das, was man für das Lesen von Ebooks benötigt. Das Design ist dank seiner Schlichtheit sehr ansprechend und die App schnappt sich daher lediglich 12 MB Speicherplatz. Alle anderen Reader-Apps, mit denen ich vergleichen kann, liegen zwischen ca. 21 und 53 MB. Bewertungen oder andere Verknüpfungen fehlen mir bei Yomu nicht. Das muss eine App auch nicht unbedingt haben, denn meine Lesetipps bekomme ich online in Foren oder in Communities, wo ich die Empfehlungen viel besser gewichten kann. Ist das Buch erst einmal gekauft und wird abends auf dem Sofa gelesen, lenke ich mich sowieso nicht ständig mit Knöpfchen, Tastaturen oder sonstwie ab. Der Yomu-Minimalismus passt also richtig gut. Entwickler Raess ist selber begeisterter Leser und hat mit der Arbeit an Yomu begonnen, weil er nach eigenen Angaben keine andere vernünftige Reader-App finden konnte.

Der Ansatz, einen unabhängigen Reader für DRM-freie Epubs anzubieten, dürfte zudem vielen Lesern zusagen, die Ebooks ohne jedwede Anbieter- oder Gerätebindung bevorzugen. Das kann Tablet-Nutzer betreffen, die Ebooks probieren oder lesen möchten, ohne sich überhaupt einen Reader anschaffen zu wollen; das kann aber auch für Leute interessant sein, die sich aus bestehenden Abhängigkeiten lösen wollen (oder sie gar nicht erst eingehen möchten). Genug Verlage bieten mittlerweile DRM-freie Epubs an, sodass die Quellen so schnell nicht versiegen. Yomu wird bei mir also noch eine ganze Weile auf den Geräten bleiben.


Fotos: Yomu Media Kit / Beat Raess

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