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Luc Folliet – Nauru: Die verwüstete Insel

Luc Folliet – Nauru: Die verwüstete Insel

Luc Folliet - Nauru, die verwüstete InselEine Reise nach Nauru, der kleinsten Republik der Erde: Vielleicht 9000 Einwohner, rund 21 Quadratkilometer groß. Nauru war jahrzehntelang Zankapfel der Kolonialmächte, dann mit Vogeldung reich geworden und fiel dennoch Anfang des 21. Jahrhunderts in den Status eines Entwicklungslandes zurück.

Rezension

Kaum jemand weiß, wo Nauru überhaupt zu finden ist. Noch viel weniger wissen, welchen Ablauf Geschichte und Wirtschaft des Landes in den letzten 40 Jahren genommen haben. Der Bodenschatz des Landes, Phosphat, wurde der ehemaligen Kolonie von wechselnden Kolonialmächten entrissen. Erst nach der Unabhänigkeit 1968 konnte das kleine Land selbständig über Abbau und Einkünfte verfügen. Allerdings mit verheerenden Folgen. Da Phospaht eine wichtige Düngergrundlage ist, verdiente Nauru riesige Summen, die umgehend planlos ausgegeben wurden. Niemand dachte wirtschaftlich oder an eine Nachhaltigkeit der Finanzen und damit startete Nauru seinen eigenen Untergang.

Mein persönliches Fazit: Luc Folliet hat ein sehr lehrreiches Buch über verfehlte Wirtschaftspolitik geschrieben. Ihm gelingt es, auf nur 130 Seiten Aufstieg und Fall einer ganzen Republik darzustellen: Nauru wurde schwerreich, sah diesen Reichtum als ewig andauernd und reproduzierbar an. Diese Fehleinschätzung runinierte das Land innerhalb nur zweier Generationen. Ein wenig mehr Bekanntheit wäre für dieses Stück Wirtschaftsgeschichte angebracht, denn Nauru ist ein Paradebeispiel für maßlose Geldgier gepaart mit absolut inkompetentem Umgang damit. Was Privatleute Richtung Konkurs steuert, hat auf Staatsebene eine weitaus verheerendere Wirkung.

Sicher ist Nauru nicht völlig alleine Schuld. Immerhin speisten Kolonialmächte das Land jahrelang mit Pennies ab, während sie selbst den Löwenanteil der Gewinne einstrichen. Und die Insellage Naurus hat die Lage gewiss verschärft. Doch viele Fehler, die Nauru machte, sind global vertreten und damit wird Nauru für Folliet zum Vorzeigeobjekt in Sachen Misswirtschaft: Investitionen nur um der Investion Willen. Geld ist in Massen da und die Rentabilität der Objekte gilt als naturgegeben. Vertrauen in die falschen Berater, die sich an Nauru über Jahre hinweg bereicherten und Millionen durch geschickte Transaktionen in die eigene Tasche wirtschafteten. Ein Volk, dass sich so an Reichtum gewöhnt hatte, dass es nichts mehr selber machte, sondern Arbeitskräfte aus aller Welt einfliegen ließ.

Folliet stellt viele Beispiele für den unfassbaren Umgang mit Geld vor, darunter dieses von den ausländischen Putzfrauen, die von der Regierung wöchentlich zu den Nauruern geschickt wurde. Nauru steht vor den Scherben seiner Geschichte und hat nach wie vor Probleme, anzupacken. Die Nauruer haben, so unglaublich es klingt, schlicht nie gelernt, zu kochen, ein Feld zu bestellen, Autos zu reparieren oder einfach nur einen Haushalt zu schmeißen; für jedes Problem ließ sich eine Problemlösung einfliegen. Folliet sieht einige aktuelle Parallelen zu Nauru Wirtschaftspolitik und so bleiben am Ende des Buchs zwei spannende Fragen offen: Nämlich nicht nur die, ob Nauru die Kurve kriegen wird, sondern auch, ob die Länder, die ihre Petrodollars in wahnwitzige Bauprojekte stecken, rechtzeitig richtig bilanzieren oder ob sie, blind vor Geld, dieselben Fehler machen werden.

Bibliografische Angaben

Verlag: Wagenbach
ISBN: 978-3-803-12654-2
Originaltitel: Nauru, l’île dévastée: Comment la civilisation capitaliste a anéanti le pays le plus riche du monde
Erstveröffentlichung: 2009
Deutsche Erstveröffentlichung: 2011
Übersetzung: Oliver Ilan Schulz

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