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Dominique Manotti – Einschlägig bekannt

Dominique Manotti – Einschlägig bekannt

Ein Kommissariat in der Pariser Vorstadt Panteuil. Neulinge werden eingearbeitet, blutjunge Leute ohne Erfahrung. In der Chefetage stellt Kommissariatschefin Le Muir die Weichen für den neuen politischen Kurs: Eine „Säuberung mit Hochdruck“ soll die Verbrechensrate senken und die Vorstadt fit für die Zukunft machen. Klar, dass es dabei Gewinner und Verlierer geben muss. Aber da ist noch eine Spezialermittlerin aus Paris, die Le Muir und ihre Vasallen schon im Visier hat. Und Noria Ghozali hatte noch nie Sinn für taktische Kompromisse.

Rezension

Paris 2005, kurz bevor die Banlieus in Flammen aufgehen. Im Vorort Panteuil fährt die Polizei einen harten Kurs, um die Konflikte mit den Einwanderern bereits im Keim zu ersticken. Zwischen Stadtautobahn, Brachland, trostlosen Bauten versuchen illegale Einwanderer ebenso wie die ungeliebten Franzosen, gebürtig meist aus dem Maghreb, ihren Weg zu finden. Die Geduld mit ihnen ist mickrig und man versucht, möglichst wenig Arbeit mit ihnen zu haben. Was zu einer ungeahnten und – wie sich herausstellt – gefährlichen Kreativität bei der Wahl der Mittel seitens der Polizei führt. Weil die Polizisten nicht ganz sauber arbeiten, soll Noria Ghozali ein Auge auf das Revier haben und Schlimmeres verhindern.

Meine erste Begegnung mit Dominique Manotti in Roter Glamour habe ich euphorisch abgeschlossen und infolgedessen war die Erwartungshaltung an das folgende Buch recht hoch – zumal es wieder ein Krimi war, in dem Noria Ghozali ihre Nase in den Dreck anderer Leute stecken durfte. Doch ich stelle fest, dass ich auch dieses Mal die Lektüre wieder schwer begeistert abgeschlossen habe.

Manotti gelingt es erneut, die Realität so aufzuarbeiten, dass sie spannend wird, dass sie mich wütend machen kann, dass sie mich am System zweifeln lässt. Nicht umsonst stellt sie ihrem Roman ein Zitat aus der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte voran:

„Die Gewährleistung der Menschen- und Bürgerrechte erfordert eine öffentliche Gewalt; diese Gewalt ist also zum Vorteil aller eingesetzt und nicht zum besonderen Nutzen derer, denen sie anvertraut ist.“

Dass man daran erinnern muss, dürfte beim Leser recht schnell schlimme Ahnungen desen hervorrufen, was man später schwarz auf weiß über die Praxis im französischen Polizeialltag liest. Die literarische Analyse liefert eine beklemmende Erklärung für die reale Eskalation, die wenige Wochen nach der Handlung im Buch in ganz Frankreich ausbrach.

Schnell lernt man, dass die Polizei bei Verbrechern noch zwischen Kriminellen erster und zweiter Klasse unterscheidet. Gerade in den Banlieus scheinen sich rechtsextreme Gesinnungen ungesund zu häufen. Und ein ganz probates Mittel, um die Verbrechensrate zu senken, ist beispielsweise, einfach von Anzeigen abzuraten. Macht eine weniger und der Vorort sieht auf dem Papier schon etwas ruhiger aus. Die hartnäckige, engagierte Polizeiarbeit, die man gerne hätte und für die man Steuern bezahlt, hat mit der in Panteuil so viel zu tun, wie ein drei Wochen altes Baguette mit der Haute Cuisine auf dem Champs Elysées.

Mit Noria Ghazoli und Le Muir treffen auch zwei Frauen aufeinander, die unterschiedlicher nicht sein können. Wie Norias Ex-Chef Macquart anmerkt, beobachtet er das Fernduell zweier intelligenter Frauen, die niemals locker lassen und die sich hassen, noch bevor sie sich kennen. Letztlich kämpfen zwei Ideologien gegeneinander und mir gefällt, dass der Kampf nicht wirklich entschieden wird. Etwas anderes passt weder zur Wirklichkeit noch zu Manotti.

Bibliografische Daten

Verlag: Ariadne bei Argument Verlag
ISBN: 978-3-86754-198-5
Originaltitel: Bien connu des services de police
Erstveröffentlichung: 2010
Deutsche Erstveröffentlichung: 2011
Übersetzung: Andrea Stephani

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