Ein ungewöhnlicher Blog weckt die Neugier zweier Studenten. Sie entdecken dort seltsame Bilder, die offenbar ein Rätsel enthalten — der Blogger stellte seinen Blog nach einem ebenso seltsamen Beitrag ein, nachdem er es entschlüsselt hatte. Die Bilder sind noch online und die Studenten versuchen nun selbst, das Rätsel zu lösen. Ein Kunstlehrer stirbt bei einer Wanderung auf merkwürdige Weise. Bei ihm findet die Polizei eine ungewöhnliche Skizze. Zwei Journalisten versuchen, einen Mord aufzuklären und wie es scheint, gelingt ihnen nach vielen Jahren ein Durchbruch. Doch nun ist einer von ihnen so nah am Geheimnis, dass er ermordet wird.
Dreh- und Angelpunkt dieses japanischen Krimis sind verschiedene Bilder und das Einführungskapitel „Ich zeige Ihnen jetzt ein Bild“ gibt das Raster vor: Eine Psychologin berichtet von ihrer Arbeit mit Kindern, von denen eines unter psychischem Missbrauch litt. Sie setzt Zeichentherapie bei ihrer Arbeit ein und erläutert an einem Beispiel, wie sie die Details von Kinderzeichnungen interpretiert. Worauf deutet ein Haus ohne Tür hin und auf was ein mehrfach radierter Mund? Ein zwar kleines Kapitel, das aber deutlich auf den psychologischen Schwerpunkt des Romans hinweist.
„Hen na e“ lebt von zahlreichen Zeichnungen, die im Lauf der Geschichte eingebunden werden. Während sich die Therapeutin für deren psychologische Dimension interessiert, werden im Verlauf der Geschichte Kinderbetreuerinnen und Kunststudenten mit Interpretationen aus ihren Fachbereichen auf solche Bilder schauen. Zugleich laufen bei Leserinnen und Lesern die Fäden zusammen: Wo ist der Zusammenhang zwischen den einzelnen Ereignissen?
Eine bemühte Konstruktion
Uketsu (hier sein Youtube-Kanal) erzählt eine Geschichte, die ihre Protagonisten unabhängig voneinander erleben. So dauert es eine ganze Weile, bis auch beim Lesen zeitliche und personelle Zusammenhänge klarer werden. Es ist für japanische Romane nicht ungewöhnlich, dass viele Szenen zunächst auf kein spezielles Ziel zuzulaufen scheinen. Dass erst einmal viel erzählt wird und Zusammenhänge recht spät deutlich werden. Doch genau daran mache ich bei „Hen na e“ fest, dass ich mit dem Krimi bis zum Schluss nicht recht etwas anfangen konnte. Denn Uketsu konzentriert sich bei seinem Debütroman so sehr auf die Konstruktion eines Falls, dass die Personen für mich seltsam leer bleiben. Sie wirken wie bloße Erfüllungsgehilfen, damit die Rätselstruktur über seltsame Bilder am Ende aufgeht. Der Begeisterung, die den Roman durch viele andere Buchvorstellungen trägt, kann ich mich nicht recht anschließen.
Obgleich ich neugierig auf das kommende „Hen na ie“ bin, das seltsame Haus. Denn grundsätzlich schätze ich die Idee sehr, Bilder in die Geschichte einzubinden und ihnen diesen hohen Stellenwert einzuräumen. Rückblickend fand ich übrigens die Geschichte zur Hochhaus-Zeichnung (rechts auf dem Cover) am interessantesten.

Einen Pluspunkt verzeichnet „Hen na E“ aber durchaus für sich: Miträtseln dürfte recht gut funktionieren, wenn man möchte. Wie auch Janice Hallett mit „Twyford Code“ oder „Die Aufführung“ versucht Uketsu ebenfalls, sämtliche Hinweise ohne Tricks zu hinterlegen.
>> Das Buch stand im Mai 2025 auf Platz 1 der Krimibestenliste von Deutschlandfunk Kultur.
Bibliografische Angaben
Verlag: Lübbe
ISBN: 978-3-455-01807-3
Originaltitel: Hen na E (変な絵)
Erstveröffentlichung: 2022
Deutsche Erstveröffentlichung: 2024
Übersetzung: Heike Patzschke
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