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Genki Kawamura – Wenn alle Katzen von der Welt verschwänden

Genki Kawamura – Wenn alle Katzen von der Welt verschwänden

Genki Kawamura - Wenn alle Katzen von der Welt verschwänden

Was ist uns eigentlich wichtig im Leben? Bemerkenswerterweise begegnete ich dieser Frage gleich zwei Mal hintereinander. Beide Male in Romanen japanischer Autoren, beide Male begleitet von Katzen, beide Male gemischt mit phantastischen Elementen. Beide Male stellte sich die Frage bei Männern, die kurz zuvor erfahren hatten, dass sie, mit einem Tumor im Kopf, nicht mehr lange zu leben haben.

Das eine Buch ist von Hiro Arikawa und heißt „Satoru und das Geheimnis des Glücks„. Das andere ist dieses hier von Genki Kawamura. Jetzt könnte man glauben, man müsse auf Grund dieser vermeintlichen Deckungsgleiche nur eines davon lesen, aber ich rate ab. Kawakami und Kawamura arbeiteten die Ausgangsidee ganz unterschiedlich auf und beide sind lesenswert (versucht also gar nicht erst, euch zu entscheiden, lest einfach beide).

Jeden Tag ein neuer Deal

In diesem Fall erfährt ein junger Postbote, dass er nicht mehr lange zu leben hat. Wenige Tage werden ihm nur bleiben. Der junge Mann weiß nicht einmal, wie er nach der Diagnose nach Hause gekommen ist. Allerdings ist er nicht alleine: Dort hockt neben der Hauskatze namens Weißkohl der Teufel als sein Doppelgänger und bietet ihm einen Deal an. Für jeden Gegenstand, den der Postbote von der Welt verschwinden lässt, erhält er einen weiteren Tag zum Leben dazu.

Und dann stellten die Menschen immer mehr Dinge her. Irgendwelches Zeug ohne Belang, ob sie es nun brauchten oder nicht.

Der junge Mann lässt sich auf den Deal ein, wohl wissend, dass aber nicht er selbst die Entscheidungen treffen wird, sondern der Teufel. Dessen Herausforderungen sind anstrengend: Wen riefe man beispielsweise an, wenn man nur noch ein Telefonat führen könnte? Der junge Mann stellt schnell fest, dass imaginäre Listen aus Filmen oder Büchern völlig irrelevant sind und total banal. Da steht „Fallschirmspringen“ drauf, aber will er seine letzten Stunden damit zubringen, jetzt, wo diese Stunden tatsächlich angebrochen sind?

Was könnte, müsste, wollte man opfern?

Dieses Buch spielt raffiniert mit der Idee, das Leben mit einem Deal verlängern zu können. „Dream big“ rief ich dem Postboten zu und dachte an Plastik im Meer oder multiresistente Keime. Wie viele Sachen schaffen es auf die Liste, bevor ich an einen Punkt komme, wo ich auch nicht mehr weiter weiß? Der Teufel verrät sogar, wie vielen Menschen er diesen Deal bereits angeboten hat. So viel kann nicht verschwunden sein, wenn diese Zahl stimmt. Aber warum ist das so?

Mit den Überlegungen dazu, was man verschwinden lassen kann und was uns fehlen würde, kommen die Erinnerungen an früher. Der Teufel lässt zunächst die Telefone verschwinden. Was uns fehlen würde? Die Telefone, die Kontakte, die Erreichbarkeit. Aber auch die parallel entwickelte Panik, etwas zu verpassen. Dem Postboten fällt auf, dass es so einige Parallelen zu früher gibt, denn seine große Liebe hatte auch lange kein Telefon zu Hause und dennoch hatten sie eine glückliche Beziehung.

„Wenn man das Leben aus der Nähe sieht, ist es eine Tragödie, betrachtet man es jedoch aus der Ferne, ist es eine Komödie“, sagte der Mann.

Katzen gibt es immer noch. Wie sich der Postbote entschieden hat, ist offensichtlich (zugegeben, er verrät es ohnehin gleich zu Beginn). Zwar hat es ein paar Tage gedauert und vielleicht wäre der Eine oder Andere ebenfalls auf den Deal eingegangen. Aber wir hätten am Ende alle ebenso entschieden (ich bin mir sicher und wer das nicht ist, dem sagt der Teufel ein paar Takte dazu).

Das Buch ist kurz, es handelt während weniger Tage und trotzdem bringt es in all dieser Kürze eine berührende Tiefe mit.

Bibliografische Angaben

Verlag: C. Bertelsmann
ISBN: 978-3-570-10335-7
Originaltitel: Sekai kara neko ga kieta nara  / 世界から猫が消えたなら
Erstveröffentlichung: 2012
Deutsche Erstveröffentlichung: 2018
Übersetzung: Ursula Gräfe

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