Andrew Wilson – Agathas Alibi

von Bettina Schnerr
2 Minuten Lesezeit
Header: Agathas Alibi

In Agatha Christies Biografie gibt es eine interessante Zeitspanne, die bis heute Rätsel aufgibt. Am 3. Dezember 1926 verließ die Autorin das Haus nach einem Streit mit ihrem Mann und verschwand für mehr als eine Woche von der Bildfläche. Ihr Auto fand man verlassen auf und die Queen of Crime selbst hat nach ihrer Rückkehr nie auch nur ein Wort über diese Tage verloren. Dabei suchte das halbe Königreich nach ihr und zahllose Menschen, Poilzisten wie Freiwillige, hatten haufenweise Büsche und Gräben nach ihr abgesucht.

Dass diese Tage Stoff für Filme und Bücher sind, ist naheliegend. Andrew Wilson strickt in „Agathas Alibi“ eine der Versionen, was passiert sein könnte. Freilich ein Kriminalfall, der bei einer Offenlegung so einschneidend für die Autorin hätte enden könnte, dass sie eben lieber ein Leben lang den Mund hielt.

OK, naja …

Das Buch erschien 2017 und lungert daher seit einiger Zeit (wenn auch nicht direkt seit 2017) im Regal. Mein Respekt vor Agatha Christie hat mich daran gehindert, das Buch weiterzugeben. Die Biografielücke war zu verlockend, als dass ich mir eine Variation davon hätte entgehen lassen wollen. Hätte ich mir sparen können. Manchmal muss man seit Jahren ungelesene Bücher doch einfach ziehen lassen.

Abgesehen davon, dass ich Wilsons Idee zu abstrus fand, gefiel mir vor allem die Perspektive auf Agatha Christie als verhuschte Ehefrau nicht. Offiziell wurde ihr Verschwinden mit „Gedächtnisverlust“ erklärt. Was beim damaligen Frauenbild wahrscheinlich locker ausreichte, denn im Jahr 1926 verstarb zunächst Christies Mutter und ihr Mann bekannte sich zu einer bereits viele Monate andauernden Beziehung mit einer Bekannten.

Andrew Wilson - Agathas Alibi

In „Agathas Alibi“ macht Wilson aus Agatha daher tatsächlich eine Frau, die nicht mehr Herrin ihrer selbst ist. Dabei ist es nicht verwunderlich, dass vor allem der untreue Herr Gatte eine ziemliche Wut hervorgerufen haben dürfte. Christie buchte ihr Zimmer damals nicht umsonst als „Mrs. Neele“, also mit dem Namen eben jener Affäre. Das spricht für eine Frau, die genau wusste, was sie tat. Bei einer Frau, die während des ersten Weltkriegs freiwillig als Krankenschwester gearbeitet hat, passt zwar, dass Christie den „Gedächtnisverlust“ am Ende mit voller Absicht spielte. Aber für mich nicht, dass sie die ganze Zeit über von anderen Leuten an die Wand gespielt wird.

Mir sei der Verweis auf die Sherlockiana erlaubt, die unter anderem Holmes‘ Verschwinden nach dem Sturz in den Reichenbachfall kreativer und spannender umgesetzt haben. Und als kleines Schmankerl passt an diese Stelle dann auch, dass just Arthur Conan Doyle sich an der Suche nach Agatha Christie beteiligt hatte, obgleich wenig hilfreich.

Bibliografische Angaben

Verlag: Pendo
ISBN: 978-3-86612-422-6
Originaltitel: A Talent for Murder
Erstveröffentlichung: 2017
Deutsche Erstveröffentlichung: 2017
Übersetzung: Michael Mundhenk

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