Manchmal gibt es Kinderbücher, die über Jahre hinweg zum Dauerbrenner werden. Was für uns der Regenbogenfisch, Conni oder der Grüffelo sind, dürften in Japan unter anderem die Geschichten um die legendäre Walbucht von Megumi Iwasa sein. In der Walbucht leben, natürlich, Wale und dazu Pinguine und Robben, die eine sehr herzliche Brieffreundschaft mit einer Giraffe aus Afrika pflegen.
Begonnen hat die Brieffreundschaft 2001 mit einer gelangweilten Giraffe in der Savanne: „Viele Grüße, Deine Giraffe“ hieß Iwasas erste Geschichte. Zwar ist es in der Savanne schön, aber eben langweilig. Auch dem Pelikan ist langweilig, weswegen er einen Flugpost-Service anbietet. So kommt die Giraffe auf die Idee mit den Briefen. Schreibt sie an andere Leute, ist doch beiden gedient. Ihr Auftrag an den Pelikan lautet einfach: „Du sollst ihn dem ersten Tier übergeben, das dir hinter dem Horizont begegnet.“
So nimmt der Brief eine abenteuerliche Reise auf sich. Zunächst geht er an die Postbotin Robbe und von dort zur Bucht der Wale, wo der Walprofessor und eine Kolonie Pinguine leben. Zwischen dem Pinguin und der Giraffe entwickelt sich eine schöne Brieffreundschaft mit viel Neugier auf den jeweils anderen.
Wie Briefeschreiben verbindet
Genug Tiere also, um sie in den Jahren darauf immer wieder aufs Neue zu entdecken. In den drei Büchern, die meine Bibliothek im Programm hat, darf zum Beispiel der Walprofessor mit Hilfe der Postbotin Robbe alte Wal-Freunde wiedertreffen. „Viele Grüße vom Kap der Wale“ heißt das Buch — und zur großen Feier wird freilich die Giraffe aus Afrika eingeladen. Das ist doch selbstverständlich oder?
In „Viele Grüße aus der Moshimoshi-Bucht“ eröffnet eine Schildkrötenfamilie einen kleinen Laden und das kleine Postamt im Meer feiert sein einjähriges Jubiläum. Mit viel Aufregung und einer ulkigen Verwechslung, bevor es endlich losgehen kann. Nach so vielen Erstlese-Büchern kann es gut sein, dass die Kinder Lust bekommen, selbst zu schreiben. Die Giraffe gibt für ihre Freunde am Südpol sogar einen kleinen Kurs dazu und ich kann mir vorstellen, dass einige Eltern schon bald darauf nach Briefpapier gefragt werden.
Es gibt ein halbes Dutzend Bücher rund um Giraffe und Pinguin. Die „alten Bekannten“ treffen immer wieder auf neue Freunde. Es gibt einen Besuch auf einer Seehundinsel, bei den Ottern zwischen den Algen oder ein Treffen mit einem schüchternen Hai. Überall lassen sich Freundschaften schließen, wenn man mit offenen Augen und beherzt in die Welt geht. Bis die Brieffreundschaft einen deutschsprachigen Verlag erreichte, schwamm die Postbotin Robbe allerdings bis 2017. Die Reise lohnte sich: Das Buch erhielt 2018 den Deutschen Jugendliteraturpreis, mit besonderer Würdigung der Übersetzung von Ursula Gräfe.
Eine Frage der Geschmäcker?
Erstaunt war ich über die so unterschiedliche grafische Gestaltung. In Japan sind die Cover von Jun Takabatake leuchtend bunt und ich mochte auf Anhieb, dass die Giraffe gar nicht voll im Bild ist. Ich kann mir gut vorstellen, dass das auch hier gut ankommen würde. Warum also sollte ein Verlag den Illustrator wechseln?
Über das Warum kann ich nur raten. Den Verdacht, es habe mit der Lizenzierung zu tun, behielt ich nicht lange. Warum sollte das für englischsprachige Titel klappen und andere nicht? Eine „haltbare“ Vermutung hatte ich auch erst, als ich einige Musterseiten aus Japan gefunden hatte. Vielleicht ging es um die Anpassung an regionale Geschmäcker: Die Illustrationen im Original sind schwarzweisse Linienzeichnungen, während Mühle bunte Szenen gewählt hat und zum Teil ganze Seiten als Bild gestalten konnte. Das scheint im Original nicht der Fall zu sein.
Den erstlesenden Kindern wird’s gleichgültig sein. Die kurzen Geschichten mit den witzigen Illustrationen zeigen ihnen, dass sie schon eine ganzen Menge lesen können und dass das Lesen rund um die Welt Freude bereitet.
Bibliografische Daten
Viele Grüße, deine Giraffe, ISBN 978-3-89565-337-7
Viele Grüße vom Kap der Wale, ISBN 978-3-89565-368-1
VIele Grüße von der Seehundinsel, ISBN 978-3-89565-379-7
Viele Grüße aus dem Algenwäldchen, ISBN 978-3-89565-396-4
Viele Grüße vom schüchternen Hai, ISBN 978-3-89565-418-3
Viele Grüße aus der Moshimoshibucht, ISBN 978-3-89565-442-8
Verlag: Moritz
Übersetzung: Ursula Gräfe
Bestellen bei genialokal.de* / buchhaus.ch* / osiander.de* / orellfuessli.ch* (*Affiliate-Links)