Man mag es kaum glauben, aber wer von einem Banküberfall wie diesem liest, wäre fast selber gerne dabei gewesen. Fünf Straßenakrobaten mit Clownsmasken ziehen in die Schalterhalle einer Glasgower Bank. Einer wirbelt im Salto über die Schutzabsperrung. Alle haben plötzlich Waffen in der Hand, und ihr Anführer verkündet freundlich: »Herzlich willkommen, meine Damen und Herren, Sie nehmen teil an einem Banküberfall.«
Charmante Räuber, die für Theaterunterhaltung sorgen, alle ungeschoren von dannen ziehen lassen und selber mit der ganzen Beute raffiniert entkommen? Das ist Ocean’s Eleven auf Schottisch und was dem Leser oder Zuhörer einen riesigen Spaß macht, bringt die Polizei auf die Palme. Bis auf eine: Angelique de Xavia. Die ist nur so lange auf hunderachtzig, bis sie den Kopf der Bande in der Bank antrifft. Eigentlich sollte sie den Gaunern im Alleingang die Tour vermasseln, weil sie sich bei einem Anti-Terror-Einsatz bewiesen hat. Aber die Bankräuber lassen sich nicht so leicht aufs Kreuz legen und nehmen de Xavia in die Reihe des „Publikums“ auf.
Zwischen Zal Innez und de Xavia knistert es umgehend. So sehr, dass sich die Polizistin ungewollt diebisch freut, als der Bande der Coup gelingt und sie richtiggehend Bewunderung für deren Rafinesse aufbringt. Damit ist die Geschichte nur noch lange nicht zu Ende, denn Zal Innez nimmt Kontakt zu de Xavia auf. Die Polizistin versucht, Zals Spielchen mitzuspielen, um früher oder später Oberwasser zu bekommen. Aber ob sie dem gewitzten Zal gewachsen ist, weiß sie irgendwann nicht mehr.
Die besten Finten Schottlands
Finten zu entwicklen ist in einem Krimi Standard. Es auf diese Art und Weise zu tun wie Brookmyre, ist reines Vergnügen. Geschickt baut er die Geschichten um Zal und um de Xavia auf, strickt eine von Harry dazu, einem wichtigen Killer der Estobal-Organisation, und eine von Walter Thorn, einem schrecklich konservativen Journalisten auf Undercover-Tour. Brookmyre schafft einen derart doppelten Doppelboden, dass man ihm bis zum Showdown nicht auf die Schliche kommt. Stückweise jedenfalls, bis der Dreh kommt. Nun, denkt man, hab‘ ich dich! Nur um den Plot wieder wenden zu sehen …
Angelique de Xavia hat bei Brookmyre eine Vorgeschichte. Die gibt’s zu Lesen in „A big boy did it an ran away“, was auf Deutsch nicht zu bekommen ist. Darin dreht es sich um einen Anschlag auf das Wasserkraftwerk von Dubh Ardrain, das sie so ziemlich im Alleingang verhindert. Unter den Kollegen löst das eine Mischung aus Respekt und Ärger aus: Die Kollegen sind im Wesentlichen schwer begeistert, während die Oberen sich arg vorgeführt vorkommen. Ausgerechnet in der Zeit, in der sie sich deshalb unwohl fühlt und die sich lösende Anspannung danach eine gewisse Leere auslöst, trifft sie auf Bankräuber Zal, einen klugen Kopf, einen interessanten Gesprächspartner und richtig anziehenden Mann.
Christopher Brookmyre schreibt flüssig, baut geschickt auf und zieht den Leser mit der Vorahnung auf Finten richtiggehend durch die Story. Man muss geradezu herausfinden, wie es weitergeht, will unbedingt spüren, wie die Geschichte uns auf’s Kreuz legen wird. Nach meinem zweiten Buch von Brookmyre (hier geht’s zum ersten) verstehe ich, warum gefühlt jeder seiner Leser meint, er sei ein Geheimtipp und werde viel zu sparsam übersetzt.
Jetzt bin ich auch so ein Leser.
Bibliografische Angaben
Verlag: hörkiosk / audio media
gelesen von Sandra Borgmann
ISBN: 978-3-86804-331-0
Originaltitel: The Sacred Art of Stealing
Erstveröffentlichung: 2002
Deutsche Erstveröffentlichung: 2013
Übersetzung: Hannes Meyer
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2 Kommentare
Das wollte ich schon lange lesen! Danke für die Erinnerung.
Viele Grüße,
Friederike
War bei mir ganz ähnlich. Der Anstoß kam dann von dem Hörbuch, das ich zufällig entdeckt hatte. Jetzt wird es mir mit dem nächsten Brookmyre-Titel so gehen, ihn sich gaaaanz lange vornehmen, bis es endlich klappt.