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Das Paradies ist eine Bibliothek

Das Paradies ist eine Bibliothek

So ähnlich dachte sich Jorge Luis Borges seinen Platz der Träume und Cicero fand: Ein Raum ohne Bücher ist wie ein Körper ohne Seele. Diese Erkenntnis nehmen Buchliebhaber bis heute ernst. Denn Bücher können weitaus mehr sein als reines Lesevergnügen; sie gehören für viele zum Lebensgefühl einfach dazu.

Bücher müssen ein angemessenes Zuhause bekommen – der Phantasie sind dabei, genauso wenig wie in den Büchern, keine Grenzen gesetzt. Wer gerne liest, genießt oftmals den puren Blick auf ein Bücherregal. Die Schätze im eigenen Haus werden ebenso gerne unter die Lupe genommen wie die von Freunden. Dabei stehen beliebig viele Varianten zur Verfügung, der Fantasie einen passenden Rahmen zu geben und die Bücher mal schlicht, mal mondän in Szene zu setzen.

Immer einen Blickfang wert

Die Bücherliebe kann bemerkenswerte Blüten treiben und einfach erscheinende Routineaufgaben auf den Kopf stellen: Auf die Vorliebe des Hausherrn hin plante ein Berliner Architekturbüro ein komplettes Einfamilienhaus um die Bibliothek herum. Die Regale ziehen sich an einer Längswand als „Rückgrat“ des Hauses entlang, an dem sich alle räumlichen Elemente aufreihen und dieses Regal ist im Erdgeschoss aus fast jedem Blickwinkel sichtbar. Das Bücherregal dreht sich am Ende zu einem kleinen Büro ein, wo der Besitzer in seiner Lieblingsumgebung arbeiten kann. Karl Lagerfeld, bekennender Bücherfresser mit über 250.000 Büchern, verfügt gleich über ein eigenes Bibliotheksgebäude mit mehreren Kilometern an Regalen.

In der Regel fallen die Regale wenig auf: Sie sind aus Buche oder Kiefer, lackiert oder gewachst, manchmal schwarz, manchmal silbrig – ihnen gemeinsam ist fast immer ihre unauffällige Existenz und die perfekte Anpassung an das restliche Interieur. Der Inhalt ist nun mal wichtiger. Ein wenig Leben könnte man dennoch einhauchen, solange die Bücher auf ihren großen Auftritt im Lesesessel warten. Ebenso, wie es Spezialisten für perfekte Bücherwände mit dem passenden Zubehör gibt, finden sich Anbieter, die für pfiffige Details sorgen. Aus Hannover stammt die Forderung pimp my Billy, mit der sich drei Designer eine bestimmte Sorte schlichter Bücherregale vorgenommen haben: Zwei unterschiedliche Austauschbretter formen das Regal neu, mal ein wenig edler, mal peppig für spielerische Unordnung. Wer völlig freie Formwahl vorzieht, bekommt das modulare System mit dem passenden Namen Oderso, das mit einem einfach geformten Basisstück unzählige Formversionen ermöglicht.

Ergebene Diener

Die Regale haben in den letzten Jahren ihr Gesicht gewandelt. Es gibt absichtlich windschief konstruierte Exemplare, die dank ausgeklügelter Technik nie umkippen; es gibt wandelfähige Systeme, deren Bretter nach Belieben auf einer Grundplatte an der Wand steckbar sind oder Türme, den Drehständern in Buchläden nachempfunden, aber z. B. ohne Werkzeug aufbaubar und mit durchdachten Lösungen für die nötige Stabilität. In England, dem Land der treuen Butler, lieferte die Tradition die Idee für einen so genannten Bookman: Bis zu hundert Schätze aus der Privatbibliothek hütet ein mannshohes Regal in Menschenform. Je nach Umfang der Buchsammlung bieten solche Regale die Möglichkeit, die gesammelten Werke komplett und dekorativ unterzubringen, einzelne Sparten separat zu lagern oder einfach nur einen Platz in der Wohnung schön zu bestücken.

Gemütlichkeit ist Trumpf

Nichts einzuwenden ist gegen den dick gepolsterten Ohrensessel, in dem sich gerade lange Winterabende am besten mit einem Buch aushalten lassen. Für den Designer Nils Holger Moormann sind Sitzplatz und Buchregal ein und dasselbe geworden: Sein bookinist ist ein mobiler Lesesessel, der sich wie eine Schubkarre rollen lässt. Rund 80 Taschenbücher passen griffbereit in Arm- und Rückenlehnen und damit keine Wünsche offen bleiben, werden eine Leselampe und verborgene Fächer mit Schreibutensilien gleich mitgeliefert.

Alternativ bietet sich eine Art umgebauter Strandkorb an. Die Rückseite des Zweisitzers nimmt die Bücher auf, aber aufstehen muss man für seine Lektüre dennoch nicht: Die Rückenlehnen dienen heruntergeklappt als Tischchen und Zugriff gleichermaßen. Unter der Sitzfläche verbergen sich ausziehbare Fußstützen und Schubkästen mit viel Platz. Wer aber einfach nur einen passenden Hocker braucht, wird übrigens anderweitig fündig: Papphocker zum Beispiel gibt es in beliebiger Dekoration und manch einer sieht aus wie ein riesiger Bücherstapel.

An die Gewohnheit, sich als Kind mit seinen Büchern in eine selbstgebaute Höhle oder unter die Bettdecke zurück zu ziehen, muss Sakura Adachi gedacht haben, als er seine Lesehöhle Cave entworfen hat. Im Regal integriert er wenige Zentimeter über dem Boden einen körpernah geformten, gepolsterten Sitz, in dem die gleich nebendran stehenden Bücher geschmökert werden können.

Die richtige Tapete

Manchmal bleibt wirklich kein Platz mehr für ein bisschen Buchregal, vielleicht gerät auch das Abstauben ein wenig aufwändig. Doch wer sagt, dass Wände oder gar Türen buchfrei sein müssen? Die Fototapeten aus den 1970er Jahren erfahren ein Revival und ermöglichen ganz platzsparend die Ausstattung mit schönen Lederrücken-Bänden oder einfach bunten Bücherstapeln.

Dieser Feuilleton-Artikel erschien am 8.2.2008 in Der Landbote, Winterthur
Die Links wurden für die Online-Version ergänzt.


Foto: Sakura Adachi

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