Ich entmiste alles …

von Bettina Schnerr
2 Minuten Lesezeit
decluttering bookshelves? Foto: Book Riot

… außer meine Bücherregale

Bis vor wenigen Jahren hätte ich diesen Satz ohne zu Zögern unterschrieben. Obwohl ich mir Bücherregale alleine schon aus Platzgründen immer wieder vorknöpfen musste, fielen mir Trennungen von Büchern vergleichsweise schwer. Inzwischen aber sieht das ganz, ganz anders aus. Die Änderung setzte sich über die Zeit aus verschiedenen Schritten zusammen. Streng genommen war ohnehin immer nur die Trennung von ungelesenen Büchern schwer. Da diese immer noch Unterhaltung oder Spannung versprachen, blieben sie erhalten, obwohl ich bei einigen Titeln instinktiv wusste, dass sie zum Beispiel nicht mehr mein Fall waren. Währenddessen behielt ich problemlos weiter eine schlanke Linie bei Küchengeräten, Kleinkram oder Kleidung.

Gespräche mit anderen Lesern sind nicht unbedingt hilfreich, um Bücherhorden ebenso im Zaum zu halten wie alles andere. Bücher hatte man zu horten, alles andere gehörte sich nicht. Unter Viellesern galt und gilt ein leeres Regal immer noch als Sakrileg. Aber mal ehrlich: Wer hebt denn Bonbonpapiere auf, nur weil das Bonbon lecker war und man sich dran erinnern will? Man sieht, wo der Hase hinläuft: Erinnerungen haben nichts mit dem sturen Behalten von irgend etwas zu tun. Auch nicht bei Büchern.

Vor einigen Monaten führte mich eine Bekannte durch ihr Haus und erzählte, dass sie noch eine ganze Reihe Bücher hatte, die aber in einem Reserveraum hinter verschlossenen Türen verschwunden waren. „Ich lese  viel, aber ich kann dieses Chaos nicht mehr sehen,“ verriet sie. Jahrelang hatte sie, wie ich, mit offenen Regalen gelebt und war der Ansicht irgendwann überdrüssig geworden.

Muss man alles immer aufheben?

Zuerst dachte ich „nein, das könnte ich nicht,“ aber schon auf der Heimfahrt merkte ich: Sie hatte Recht. Innerlich hatte ich mich schon längst von der Optik offener Regale verabschiedet. Nur, weil ich viel lese, müssen nicht alle Bücher in Reichweite stehen, genauso wenig wie meine Nähmaschine, die Acrylfarben oder meine Schwimmsachen. Wer gerne kocht, stellt seine Kochtöpfe schließlich auch nicht auf alle verfügbaren Flächen, damit man das Hobby sofort erkennen kann. Im Gegenteil: Wir würden den Hobbykoch als ziemlich unordentlich einschätzen und dem Koch selbst würde es auf den Nerv gehen.

Neulich stand ein Umzug nach Übersee an und damit die Frage, was den Transport wert ist und was nicht. Und siehe da: Lieber ein paar Gesellschaftsspiele mehr statt ein paar Bücher mehr. Im Angesicht der  großen Auswahl im alten Zuhause fiel die Wahl schwer. Im neuen Zuhause dagegen: Kein Problem! Im Gegenteil. Die radikale Kürzung wirkte sehr befreiend. Menschen, die sich für Minimalismus interessieren, wissen vermutlich sofort, wovon ich rede. Joshua Becker schreibt zum Beispiel hier über so ein befreiendes Gefühl. Don’t just declutter, de-own. Auch Béa Johnson hatte so eine Erfahrung gemacht, nachdem sie viele Besitztümer monatelang im Container hatte und bemerkte, dass sie die meisten Sachen davon gar nicht vermisste. Genau so geht es mir auch.

Zu viel Auswahl und zu viel Drumherum habe ich nicht mehr, aber ich lese (zumindest derzeit) sogar mehr als vorher! Ich habe Zeit, genau die Bücher zu lesen, die ich gerade lesen will. Ohne dass ein riesiger Stapel daneben liegt und meckert „… und wir??“ Ich habe Zugriff auf zwei Bibliotheken und digitale Werke, die ich nahezu weltweit bestellen kann. Und wenn es gerade kein Buch ist, um das ich mich bemühe, sind da ohnehin noch die Gesellschaftsspiele und der Park. Es muss nicht immer Buch sein. Schon gar nicht im Regal.


Foto: mit freundlicher Genehmigung von Book Riot

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